Deine Mudda – auch bald arm?

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„Die verratene Generation“ thematisiert weibliche Altersarmut und hinterlässt ein zutiefst beunruhigendes Gefühl. Was bedeutet es für uns, dass manchen unserer Mütter Altersarmut droht?[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Ihre Wahrheit vertraten die Zuhörerinnen mit geballter Kraft bei der von Christina Bylow gehaltenen Lesung aus dem Buch „Die verratene Generation“ (Pattloch, 2014) bei Bücher Pustet am internationalen Frauentag (08. März). Das Generationenporträt, wie die Autorin ihr Buch selbst beschreibt, über die Babyboomerinnen – Jahrgänge scheint den Finger in eine Wunde der heute um die 50 bis 60 jährigen Frauen zu legen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Die Enttäuschung der weiblichen Anwesenden über Chancenungleichheit im Erwerbsleben schlug bei manchen ungefähr so in Resignation um: „Mir fehlen einige der notwendigen Rentenpunkte. Einen weiteren habe ich durch die Mütterrente vom Staat zusätzlich erhalten. Eigentlich wollte ich gar nicht zur Lesung kommen, ich ärgere mich eh nur.“
Bei anderen dagegen wuchs die generelle Empörung über ungerechte Verteilungen bei Gehalt und Haushaltsarbeit zu Wut an: „Wir brauchen einen internationalen Männertag! Damit sich die Männer mal über ihre Erwartungshaltung an Frauen Gedanken machen und darüber, was falsch läuft.“[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Die Realität dieser Generation, der Generation unserer Mütter, beschreibt die Autorin Bylow als Gerechtigkeitsproblem, das Buch ist ein sozialpolitisches. Politische Versprechen suggerierten unseren Müttern Wahlfreiheit: Ihr seid gut ausgebildet. Alles ist möglich.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Das Konzept der Teilzeitarbeit und das damit geförderte klassische Familienmodell des in der Regel männlichen Hauptverdieners und der meist weiblichen Zuverdienerin allerdings untergrub diese Verheißungen. Indem unsere Mütter uns großzogen, lange Jahre keinen Arbeitsplatz außer den eigenen Haushalt betraten und später dann eher teil- als vollbeschäftigt arbeiteten, wurden ihnen politisch und gesellschaftlich gewollt die Ketten der Altersarmut angelegt. So einer der Grundstränge des Buches. Die Zumutungen an Frauen in der Lebensmitte werden durch die alljährlichen Rentenbescheide mit verschwindend geringen Beträgen symbolisiert, die für Bylow ähnlich sympathisch sind wie eine „tote Ratte im Briefkasten“ (Maybritt Illner,15.05.2014). Für diese Frauen ist die einzige Möglichkeit der Altersarmut zu entkommen das Glück, nicht von ihrem „Ernährer“ geschieden zu sein.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Der Blick auf diese Position wird von Bylow während der Lesung erweitert. Die Gerechtigkeitsthematik äußert sich in der Doppelbelastung aus Beruf und Familie, die unseren Müttern zugemutet wurde. Zur Ungerechtigkeit werden die Erwartungen an Frauen in der Lebensmitte nun durch die fehlende Anerkennung für die erbrachte Leistung. Und zwar nicht als symbolische Anerkennung. Um auch im Alter ein Leben in Würde zu führen, fehlen den Frauen der Babyboomer – Generation finanzielle Mittel, insbesondere, wenn sie inzwischen alleinstehend sind.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Mein Idealismus sitzt mir während der gesamten Lesung im Nacken und rebelliert.

Nein, für mich ist es nicht selbstverständlich, meinen Job (der garantiert mehr Berufung als Beruf sein wird. Beziehungsweise: sein muss!) für die Familie aufzugeben.
Ja, wenn das System mir genau dies aufdrängen will, dann werde ich mich dagegen wehren (lieber Quotenfrau als arbeitslos?).
Ja, mir ist bewusst, dass ich im Zweifelsfall alleine für mich und meine Kinder sorgen werde, immerhin leben wir in Zeiten, in denen Lebensabschnittspartnerschaften gang und gäbe sind (ob das gut ist, sei dahingestellt).
Steht auch überhaupt nicht zur Debatte, ob ich diese Erwartungen an mich erfüllen kann oder nicht – natürlich schaffe ich das!

Eine der brennendsten Fragen der Zuhörerinnen neben der Sorge um die eigene Zukunft: Haben wir unsere Töchter richtig erzogen? Das Publikum und die Autorin Bylow einigen sich darauf, dass die Doppelbelastung auch für die Tochtergeneration ein Problem ist und sein wird.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Mein Idealismus kocht noch einmal hoch und würde seinerseits gerne austeilen, traut sich aufgrund zu geringer Lebenserfahrung im Vergleich mit den Kontrahenten allerdings nicht. Zum Glück springt ihm mein Kumpel bei: „Also ich würde ja schon auch zu Hause bleiben wollen.“ Eben. Nicht nur das Selbstverständnis der ganz jungen Frauen (ich rede von mir und euch, liebe Twens) hat sich verändert hin zu neuen Rollenbildern, die ich anmaßend als „ausgeglichener“ bezeichnen möchte. Sondern auch das vieler junger Männer.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Nur als gesellschaftliches Problem betrachtet kann die, manchen unserer Mütter drohende, Altersarmut nachträglich bekämpft und für uns vermieden werden. Wenn ein Teil der Gesellschaft vernachlässigt wird, geht es auch der anderen Hälfte nicht gut, wie Bylow es formuliert hat. Um nochmal darauf zurück zu kommen: Der jährliche Männertag (19. November) ist eine gute Idee. Aber eben nicht dafür, dass sich die Herren über Fehlverhalten bezüglich ihrer Gattinnen bewusst werden. Sondern um Frauen–Probleme und Männer–Probleme in gesamt gesellschaftliche Themen zu verwandeln, die für alle relevant sind.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Nach der Lesung werden freundlich ganz konkrete Tipps an junge Frauen verteilt, beispielsweise sich niemals für lange Zeit aus dem Berufsleben aus zu klinken oder sich beim gemeinsamen Hauskauf mit ins Grundbruch eintragen zu lassen. Daraufhin befindet mein Idealismus, dass unsere Mütter ihren Töchter doch genau diese Selbstabsicherung und Unabhängigkeitsbestrebungen subtil vermittelt haben. Sei es durch das gegenteilige Beispiel, aber um uns implizit davor zu bewahren, im schlimmsten Fall vor der Wahl zu stehen, von einer Rente unter dem Existenzminimum zu leben oder in eine Versorgerehe abzurutschen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Allerdings meldet sich daraufhin ein scheinbar über den Moment herausblickender Idealismus aus dem Mund meines Kumpels zu Wort: Und wenn du vielleicht doch in ein paar Jahren deinen Job aufgibst, einer Beziehung zu liebe?

Ja, was dann? Stehen wir dann in fünfzig Jahren genauso da wie die „verratene Generation“, die von ähnlichen Prinzipien beseelt ins Leben gesprungen ist und nun mit nüchternerem Blick über das Leben urteilt?[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Nein, das möchte ich (oder mein Idealismus?) nicht wahrhaben. Wie gesagt, Rollenvorstellungen verschieben sich, Politik verändert sich. Indem auf die Problematik der Babyboomerinnen – Generation aufmerksam gemacht wird, werden auch Signale für uns gesetzt, anderes zu erwarten und anders zu handeln.

Wogegen hat mein Idealismus nochmal rebelliert? Gegen den eierschalen-farbenen Schriftzug „SPIEßIG“, der mit grellen Neonfarben (!Achtung, gefährlich!) ausgeleuchtet im Kopf auftauchte.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Anders handeln. Dazu gehört auch, sich zumindest nicht der Diskussion von vermeintlich weit entfernten Themen wie Altersarmut oder Rente zu verschließen. Oder unsere gelockerten Rollenbilder tatsächlich umzusetzten (eine weitere konkrete Empfehlung der Zuhörerinnen, die niemandem vorenthalten werden soll: Sollte die Mutter zu Hause bleiben, dann nur mit einer Lebensversicherung, die der Partner auf ihren Namen abgeschlossen hat). Dann brauchen wir in dreißig Jahren hoffentlich keine Neuauflage von „Die verratene Generation“ mehr.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Beitragsbild: Copyright – Grief by Sheila Sund (CC BY 2.0) [/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]