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Glaube verbindet? Kreuzpflicht Bayern

Kreuze im Rathaus, im Gericht und sogar in der Universität?
Das möchte Markus Söder mit seiner Kreuzpflicht für Bayern erreichen. Ein christliches Symbol soll das Land verbinden. In der Diskussion sind die Meinungen gespalten.

Markus Söder, der seit dem 16. März bayerischer Ministerpräsident ist, hat schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit große Diskussionen angeregt. Das bayerische Kabinett hat den Beschluss einer Kreuz-Pflicht für staatliche Behörden bewilligt. Ab Juni 2018 sollen in den entsprechenden Eingangshallen Kreuze angebracht werden. Söder versteht dieses Symbol als „Bekenntnis zu Grundwerten“, die Kirche sieht in dem christlichen Kreuz ein Zeugnis für die Liebe Gottes. Kritiker befürchten, dass das Symbol in dieser Verwendung lediglich dem politischen Machtkampf dient. Die Diskussion hat viele verschiedene Interpretationen und Grundsatzfragen, sowohl in der Politik als auch in der Kirche, hervorgebracht.

Doch wie fassen die Passauer Studierenden diesen Aufruf zu einer stärkeren Präsenz des Christentums auf? Was empfinden Menschen, die aus anderen Ländern oder Kulturen stammen?

Jean Pierre Char, 24 Jahre, Mobile und Eingebettete Systeme 

Ich komme aus dem Libanon und bin griechisch-orthodox, also in einer christlichen Minderheit, aufgewachsen. Der Libanon war früher einmal ein christliches Land, doch der muslimische Einfluss ist immer mehr gewachsen. Heute gibt es dort circa 60 Prozent Muslime und 40 Prozent Christen.

Mittlerweile bin ich Atheist, ich habe die schlechten Seiten beider Religionen kennengelernt. Ein christliches Symbol in öffentlichen Gebäuden würde, meiner Meinung nach, nur alle Anders- bzw. Nichtgläubigen angreifen. Es würde das Gefühl vermitteln, man will ihnen etwas aufzwingen.

Selbst wenn man das Kreuz als ein Zeichen von Toleranz und Nächstenliebe versteht, ist es nicht nötig diese Werte auf diese Weise zu präsentieren. Man muss kein Christ sein, um beispielsweise tolerant zu sein. Regeln für ein gutes Leben gibt es in jeder Religion. Wenn man diese mithilfe des Kreuzes symbolisieren möchte, sollte man auch muslimische und buddhistische Symbole anbringen, um auch das Positive anderer Religionen zu verdeutlichen. An manchen Orten, wie religiösen Stätten, gehören religiöse Symbole natürlich dazu. An öffentlichen Orten, wie einer staatlichen Schule, sollte der Fokus aber alleine auf Bildung liegen.

Emily Süß, 18, JoKo

Ich habe den Eindruck, Bayern ist sehr katholisch geprägt. In Hamburg dagegen, wo ich herkomme, hat Kirche keinen so hohen Stellenwert.

Ich könnte mir vorstellen, dass Söder mit der Kreuz-Pflicht ein Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühl erzeugen möchte. Allerdings finde ich die Aktion nicht wirklich nachvollziehbar. Religion ist für mich Privatsache, die nichts an einem öffentlichen Arbeitsplatz verloren hat.

Bei uns an der Schule gab es auch keine Kreuze in den Klassenzimmern und selbst den Religionsunterricht konnte man durch das Fach „Werte und Normen“ umgehen. Das Thema Religion war somit nicht stark präsent in der Öffentlichkeit. Gegen einen konkreten Raum, in dem Gläubige ihren Glauben praktizieren könnten, hätte ich selbstverständlich nichts. Wenn aber das Kreuz wirklich allgegenwärtig präsentiert wird, fände ich das schon etwas komisch.

 

Javed Ghafoor, 36, Informatik

Ich denke, Markus Söder will den Menschen mit diesem symbolischen Akt den bayerischen Lebensstil vor Augen führen. Speziell Menschen wie mir, die nicht von hier kommen, soll das sagen, hier herrschen ganz eigene Strukturen und Verhaltensweisen.

Ich komme ursprünglich aus Pakistan und bin schon länger in Europa, weil ich für sechs Jahre in England gelebt habe. Trotzdem ist mir aufgefallen, dass Deutschland auch nochmal eine sehr unterschiedliche Kultur hat, auch im Umgang mit Religiosität.

In den letzten Jahren hat sich sicher einiges in Europa verändert, vieles ist multikultureller geworden. Ich glaube, dass Söder mit seiner Aktion keine Intoleranz gegenüber anderen Kulturen zeigen möchte. Er möchte vielleicht eher die Bedeutung des Traditionellen betonen. Das was Bayern auch schon vor 100, 200 Jahren geprägt hat.

Für mich selbst ist das Kreuz nicht störend. Ich komme aus dem Islam und dort ist das Christentum auch bekannt. Leute, die nicht an Gott glauben, werden den Sinn dahinter vermutlich schwerer nachvollziehen können. An sich finde ich es aber eine gute Sache, mit der Religion von anderen vertraut zu werden.

Juliane, 21, MuK

Ich verbinde mit dem Kreuz speziell das Christentum, allgemeine Grundwerte assoziiere ich eher weniger damit. Ich finde, man kann nicht sagen, dass dieses Symbol eindeutig für Deutschland beziehungsweise die deutschen Werte steht. Deutschland hat mehr Facetten als das Christentum.

Mich persönlich würde ein Kreuz, beispielsweise im Eingangsbereich der Uni, nicht stören – es muss aber auch nicht sein. Vermutlich würden sich auch Andersgläubige nicht direkt dadurch angegriffen fühlen, aber ein wenig merkwürdig wäre es schon.

 

 

Andreas Erndl, 44, Studentenpfarrer 

Für mich ist das Kreuz das wichtigste christliche Symbol, ein Zeichen der Liebe und Hingabe Gottes. Das griechische Wort „agape“ steht für die göttliche Liebe, die mehr ist als eine Freundesliebe. Da ist auch die Feindes- und die Fremdenliebe mit eingeschlossen.

Das Kreuz als Symbol für deutsche Grundwerte zu nehmen, finde ich etwas schwierig. Ich sehe das Kreuz als Zeichen unserer kulturellen Identität, aber für mich ist Religiosität natürlich noch einmal mehr als eine kulturelle Sache.

In unserer Zeit ist die Identitätsfrage eine wirklich große Frage, die unsere Gesellschaft beschäftigt. Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner, der uns zusammenhält, auch verbunden mit der Frage nach einer Leitkultur. Ich persönlich finde es gut, wenn es auch eine Art versöhnte Verschiedenheit geben darf. Einerseits sollen Menschen zu ihrer (Mehrheits-) Identität stehen, die eine verbindende Kraft schafft. Andererseits ist es wichtig, offen und tolerant gegenüber anderen Identitätsentwürfen und Religionsvorstellungen zu sein. Natürlich auf der Basis der Grundwerte und –rechte.

Viele Menschen, die aus islamisch geprägten Ländern zu uns kommen, haben in ihrem Heimatland erfahren, dass eine Religion vorherrscht. In Deutschland dagegen ist Religiosität schon fast ein Tabu geworden. Da kann das Kreuz vielleicht auch ein verbindendes Zeichen werden, wenn sie erleben, dass die Menschen hier in diesem Land auch ihren Glauben haben. Ich habe das Gefühl, dass ein Gottglaube die Gottesgläubigen verbindet.

 

Die Gespräche Jean Pierre Char und Javed Ghafoor wurden aus dem Englischen in das Deutsche übersetzt.