Willkommen in der Stadt der Sünde

Begleitet von der melodischen Stimme eines Hypnotiseurs tauchen wir ein in die ersten Sekunden der neuen Sky-Serie „Babylon Berlin“. Therapiert wird gerade Gereon Rath, gespielt von Volker Bruch, ein Kölner Kommissar mit ausgeprägter Kriegsneurose und einer ungesunden Affinität zu heroinhaltigem Hustensaft, der gerade aus seiner Heimatstadt nach Berlin versetzt wurde.

In einer Stadt der Sünde, der Laster und Ausschweifungen soll er einen Erpressungsfall lösen und einem Pornoring auf die Spur kommen. Während Rath durch das pulsierende Berlin der späten 1920er irrt, trifft er die Stenotypistin Charlotte Richter (Liv Lisa Fries), die der bitteren Armut ihrer Familie entkommen will. Doch dabei bleibt es nicht, orchestriert von Star-Regisseur Tom Tykwer (u.a. Cloud Atlas) rast die Geschichte weiter. Raths zwielichtiger Kollege Bruno Wolter, der russische Geiger Kardakow, die Sängerin Svetlana, Nachtklubbesitzer, Kriegsgeschädigte, Polizeipräsidenten, Huren. sie alle huschen über den Bildschirm, mal für wenige Sekunden, selten länger als ein paar Minuten. Die Handlung ist ungemein dynamisch, doch dabei geht ihr etwas der erzählerische Tiefgang verloren.

Neue Maßstäbe für das deutsche Fernsehen

Geschätzte 40 Millionen Euro ließ sich der deutsche Bezahlsender Sky, der die Serie zusammen mit der ARD-Tochter Degeto, Beta und X-Filme produzierte, die bisher teuerste und größte deutsche Serienproduktion kosten. Bei 16 bisher gedrehten Folgen entspricht das einem Budget von 2,5 Millionen pro Folge. Das ist ungefähr das Doppelte von dem, was eine Episode „Tatort“ kostet. Die finanzielle Ausstattung merkt man der Serie auch an, denn was Kostüme, Schauplätze und schauspielerische Leistung angeht, setzt „Babylon Berlin“ im deutschen Fernsehen Maßstäbe. Nie fühlte sich eine Stadt so real an, wie jenes Berlin von 1929. Nie waren die Schicksale und Charaktere der Hauptpersonen so menschlich. Dabei spielt es auch eine große Rolle, dass „Babylon Berlin“ keine Geschichte über eine schöne, glänzende Welt erzählt, im Gegenteil. Die Serie ist schmutzig, stinkend, blutig und gerade deshalb auch großartig.

Schmutz, Dreck und glaubhafte Charaktere

Wir sehen nicht die strahlenden Helden und edlen Damen der gehobenen Gesellschaft, stattdessen treffen wir einen heroinabhängigen Kommissar, eine junge Teilzeitprostituierte und einen Ermittler mit zweifelhaften Verbindungen zum rechten Rand der Gesellschaft. Für sie wird sich bald herausstellen, dass nicht alle, die auf der gleichen Seite stehen, immer auch im selben Team spielen. Doch die moralische Ambivalenz der Hauptcharaktere ist es auch, die sie lebensecht und vielschichtig wirken lässt. Damit trifft die Serie genau den schmalen Grat zwischen dem kaum unterdrückten Hedonismus und der oberflächlichen Moralität des Berlins der Zwanziger.

Frauen zwischen Sexobjekt und Emanzipation

Eine Gesellschaft befindet sich im Umbruch, Frauen entwickeln sich Schritt für Schritt von der typisch gehorsamen Hausfrau hin zu familienversorgenden, selbstbewussten, starken und aktiven Mitgliedern der Gesellschaft, aber dennoch können sie das Stigma des Sexobjekts nicht loswerden. Konservative Moralvorstellungen zerbrechen und die Grenzen zwischen Richtig und Falsch verschwimmen, wenn kriminelle Verhaltensweisen wie Prostitution, Drogen oder Gewalt etwas Gutes bewirken.

Authentisches Setting: Das wilde Berlin der 20er

Es ist das Dilemma jener Zeit, dass während die Clubs wie das legendäre „Moka Efti“ (in dem im Übrigen die überwältigende Tanzszene am Ende der zweiten Folge spielt) weiter pulsieren, und sich Berlin immer schneller und lauter um sich selbst dreht, Berlin und ganz Deutschland unaufhaltsam auf eine Katastrophe zurasen, die das Land für immer verändern wird. Die große Leistung von „Babylon Berlin“ ist dabei, dass es nicht moralisiert, dass es 1929 nicht aus der heutigen Sicht schildert, sondern aus der damaligen, dass keine andauernden Nazi-Warnungen auftauchen, sondern dass es dem Zuschauer selbst überlassen bleibt, nachzudenken, wie es weitergehen wird, welche Schicksale wohl den jüdischen Polizeipräsidenten oder den russischen Komponisten erwarten.

Die Serie liefert alles in allem ein wundervoll lebendiges Sittengemälde zwischen Ekstase, Verlangen, Revolution und dem Versuch in einer Welt deren Regeln erst neu definiert werden müssen, zu überleben.

 

Für alle, die jetzt Lust auf „Babylon Berlin“ bekommen haben: Die Serie ist erscheint für Sky-Kunden jede Woche in Doppelfolge auf Sky Go, Sky Ticket und Sky on Demand, oder ab 2018 kostenlos in der ARD

 

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