Kein Platz mehr für (Sub-)Kultur in München?

München – Bayerns Landeshauptstadt, eine Metropole, eine Weltstadt. Neben der Sehenswürdigkeiten wie der Frauenkirche oder dem Friedensengel, Parks und Gärten wie dem Englischen Garten oder dem Westpark, Schlössern, Kirchen, Klöstern und Museen, hat München ein umfangreiches Nachtleben und eben viel Kultur zu bieten – oder? Es scheint, als müsse immer mehr kultureller Raum inklusive der Münchener Nightlifeszene neuen Wohn- und Bürokomplexen oder ähnlichem weichen, gerade in der Technoszene, aber was ist da dran?

Mit 1,5 Millionen Einwohnern ist München Deutschlands drittgrößte Stadt. Die gesamte Metropolregion umfasst sogar rund sechs Millionen Menschen. Aber auch von außerhalb der Region – wie von den Universitätsstädten Passau oder Regensburg – ist München einfach zu erreichen und lockt somit täglich nicht nur Touristen, sondern vor allem auch die Jugend aus dem Südosten Deutschlands an. Kein Wunder, die Stadt hat ja auch einiges zu bieten.

#SaveMMA

Mixed Munich Arts – kurz MMA Club – ist seit 2014 ein Veranstaltungsort, Kultur- und Techno-Club in einem stillgelegten Heizkraftwerk in München. Der Club besteht aus der „Halle“, die Kesselhalle, die den Mainfloor beherbergt, und dem „Club“, einem kleineren Raum, mit meist gut gefüllter Tanzfläche. Hier finden nicht nur international bekannte Techno-DJs Platz, sondern wie der Name schon sagt, bringt das MMA gemischte Künste und Künstler zusammen: von Theateraufführungen und Konzerten, über Flohmärkte bis hin zu Kunst- und Graffiti-Ausstellungen.

Mitte April soll nun aber Schluss mit dem geliebten und gefeierten Club in der Maxvorstadt sein; der Pachtvertrag läuft aus, im Sommer soll das Heizkraftwerk abgerissen werden. Wie bereits zahlreiche andere Underground Clubs soll auch das MMA neuen Wohnung weichen. Ebenso muss das beliebte Bar-Restaurant Electric Elephant dann schließen. Es scheint, als stehe der Wohnungsbau in der Metropolstadt im Vordergrund und Kultur müsse dafür zurücktreten.

Die beiden MMA Stammgäste Anna Pfeffer und Vanessa Haas haben aus dem Grund eine Petition ins Leben gerufen, die mittlerweile mehr als 10.800 Unterstützende unterschrieben haben. Die Unterschriften kommen nicht nur von Menschen aus ganz Deutschland, sondern auch aus rund 50 anderen Nationen wie Belgien, Frankreich, Spanien, Mexiko, Chile oder den USA. Um die Petition beim Stadtrat einreichen zu können, müssen allerdings 6500 Stimmen nur aus München kommen, aktuell sind es aber nur um die 5600.

„Das Mixed Munich Arts hat sich über fünf Jahre zu einer kulturellen Zufluchtsstätte für Menschen unterschiedlichster Herkunft, Hautfarbe, Lebenseinstellung, Geschlecht und sexueller Orientierung entwickelt – mitten im Herzen Münchens. Ein Ort, an dem Offenheit, Friedfertigkeit, Toleranz und Kreativität gelebt wird“, schreiben die Münchenerinnen in ihrer Petition. Im Vordergrund steht das Heizkraftwerk weiter für kulturelle Projekte und Partys zu erhalten, weil der Raum für Kultur in München ohnehin drastisch schrumpfe.

Die Clubbetreiber Constantin Mascher, Mathias Arifin und Mark Maurer hoffen auf eine Verlängerung des Vertrages, auch wenn es nur ein halbes oder ein Jahr sei. Immerhin verlieh der Club der Stadt auch international ein positives Image. Das Trio ist auch auf der Suche nach einer neuen Location, was in München allerdings nicht so einfach ist: „Klar könnte man wieder Hunderttausende in eine Ausweichlocation investieren. Doch warum sollten wir das machen, wenn am Ende letztlich doch nur unsere eigene Existenz gefährdet ist? Dafür, dass München dann toller ist? Bei einem neuen Projekt müssten die Rahmenbedingungen also schon wirklich gut sein.“

Am 4. April veranstaltete das MMA zusammen mit dem serbischen Exit-Festival eine Party mit der international bekannten DJane Amelie Lens, um gemeinsam zu feiern und auf SaveMMA aufmerksam zu machen: „Als eines der größten Festivals Europas mit einem starken Fokus auf Techno, House und elektronische Musik aller Art unterstützen sie uns seit der traurigen Nachricht über die Schließung von MMA“, hieß es auf Facebook. Um die Bekanntheit von SaveMMA weiterzuverbreiten, veranstaltet das MMA auf dem Festival am 4. Juli sogar eine eigene Bühne mit ihren allzeit beliebten Künstlern.

Vergleichbare Gelände wie das vom MMA werden in München immer seltener. Für (Techno)Künstler ist es immer schwieriger, bezahlbare Locations zu finden. Viele Münchner Künstler wandern aus, ziehen beispielsweise in die Hauptstadt, um dort ihre Projekte zu realisieren oder fortzusetzen. Im MMA wird am kommenden Wochenende das Closing Weekend stattfinden, bei dem unter anderem Drumcode Labelboss Adam Beyer auflegen wird.

 

Vom Kunstpark Ost bis zum Ende des Kultfabrikgeländes 

Im September 1996 eröffnete einst das große Freizeitareal und Veranstaltungszentrum Kunstpark Ost auf einem ehemaligen Pfanni-Fabrikgelände in München und blieb bis Anfang 2003 dort bestehen. Clubs, Bars, Restaurants, Spielhallen und Künstlerateliers sorgten dort für einen neuen Kulturraum mit Industrie-Charme. Rund 250000 Besucher, davon rund die Hälfte aus dem Großraum Münchens, zog es dort monatlich hin. Der Kunstpark Ost bot ein reichhaltiges Feiererlebnis für Jedermann.

Am 31. Januar 2003 wurde der Kunstpark schließlich aufgelöst, einige Clubs blieben, anderen siedelten um, viele Betreiber wurden von den riskanten Mietverhältnissen verunsichert. Das Gelände erhielt fortan die Bezeichnung Kultfabrik, geführt von Pfanni-Erbe Werner Eckart. Zudem entstanden in unmittelbarer Nähe die Optimolwerke. Die Kultfabrik galt mit ihren Clubs, Bars, Konzerthallen und anderen Veranstaltungslocations auf 90.000 Quadratmetern lange als Europas größtes Partyareal. Doch die ambitionierte Nachtszene entwickelte sich zurück, wurde stetig unbeliebter bei den Münchnern. Ende des Jahres 2015 war nun auch Schluss mit der Kultfabrik.

Platz für ein neues Werksviertel mit Büros aber auch Clubs, Bars, Restaurants, Kunst- und Ausstellungshallen wurde geschaffen. Es gibt dort also weiterhin ein ausgiebiges Nachtleben, zum Teil mit den altbekannten Clubs wie das Americanos,  Eddy’s Rockclub, Kölschbar München, Nachtkantine oder Willenlos, die Technoszene ist aber nicht mehr so vertreten. Die Konzert- und Eventhallen Technikum und Tonhalle bleiben aber auch weiterhin erhalten.

Die Schließung der Optimolwerke

Bereits vor einem Jahr wurden die Optimolwerke nahe dem Ostbahnhof, welche nahe der Kultfabrik lagen, dicht gemacht und berühmt berüchtigte Locations wie die Grinsekatze, Tante Erna oder der Bullitt Club mussten sich nach neuen Lokalitäten umsehen, um dem Werksviertel samt Konzerthaus zu weichen.

Nicht nur Technoclubs fanden dort ihr Zuhause, beispielsweise Clubs wie das Do Brasil oder Rockclub Garage lockten auch zahlreiche Latin- oder Rock-Musikfans dorthin. Nicht nur verlieren die Clubbesitzer ihre Clubs, sondern gleichzeitig Bands, Fotografen und Künstler ihre Studios, Proberäume und Ateliers, und die Münchener eine weitere Kulturstätte. Auch eine Schauspiel- und Dj-Schule oder eine Ginbrauerei fanden bis dato dort ihren Platz.

Wie beim MMA waren dort waren die Verträge dort von Anfang an auf kurze Zeit befristet. Die ersten waren 2003 bloß auf fünf Jahre ausgelegt, welche jedoch immer wieder verlängert wurden. Anfang 2018 mussten die etwa 60 Mieter jedoch endgültig raus und die Optimolwerke wurden als letztes großes Partyareal an der Friedrichsstraße im Osten Münchens geschlossen.

 

Das neue Werksviertel – modern und innovativ

Mit dem neuen Werksviertel entsteht ein ganz neues Stadtviertel im Osten Münchens: Im Frühjahr 2016 eröffnete bereits dessen Kernstück, das WERK3. Neue Loft- und Galeriebüros, Künstlerateliers, ein Ausstellungsraum und Flagship-Stores sind heute dort nun angesiedelt: „Das macht ein Viertel zur echten Heimat: kulturelle Vielfalt, Tanz und Theater, Kino und Kunst, Gaumenfreude und Gastfreundschaft, Sport und Shopping.“ heißt es auf der Webseite des neuen Viertels.

In den kommenden Jahren sollen über 1.000 Wohnungen gebaut und circa 7.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Auch eine Grundschule, mehrere Kindertagesstätten, Einkaufsmöglichkeiten, Hotels, Restaurants, ein umfassendes Freizeitangebot und zahlreiche kulturell genutzte Gebäude sind geplant. Zu den zukünftigen Objekt-Highlights zählen ein neues Technologiezentrum und ein Konzerthaus, das im Herzen des Werkviertels entstehen wird. Bis zum Baubeginn wird das größte transportable Riesenrad der Welt dort stehen: Das „Wheel of Munich“.

Im Werksviertel Mitte wird es zahlreiche Angebote von Kunst, Kultur und Bildung über Gastro, Freizeit und Sport bis hin zum Nachtleben geben. Wer hier nach Technokultur sucht, wird allerdings nicht fündig werden. Cocktailbars, Rockmusik, Schlagerpartys und vieles mehr sind dort zu finden, jedoch nichts für die Subkultur, die mehr und mehr in München verschwindet.

Natürlich gibt es in der Stadt verteilt weiterhin berüchtigte Technoclubs und Kultursätten wie Blitz, Harry Klein, Rote Sonne, Bahnwärter Thiel oder die Grinsekatze, die Anfang des Jahres in einer neuen Location mitten in München neu eröffnet hat, aber die Feier-Möglichkeiten in der Szene werden immer weniger. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die alten, schönen Indutrie-Gelände wie das des MMA nicht nur Technostars willkommen hießen, sondern auch auch Platz für jede Art von Kunst und Kultur bot. Solche Veranstaltungsorte müssen erhalten werden!