Zuckersteuer statt Übergewicht?

Zucker macht uns krank. Zuviel davon führt zu Übergewicht und Karies, die Warscheinlichkeit an Krebs, Diabetes und Alzheimer zu erkranken wächst mit jedem Zuckerwürfel. Und zuviel davon konsumieren wir fast alle.

Deshalb hat die World Health Organisation die Empfehlung des täglichen Zuckerkonsums 2015 von bis dato maximal 50g auf 25g Zucker pro Tag reduziert. Dabei sind alle Zucker- und Süßungsmittel miteingeschlossen, die Produkten zugefügt werden oder in natürlicher Form in Honig, Sirup und Fruchtsaft oder Konzentraten vorkommen. Ausgeschlossen von dieser Eingrenzung ist nur natürlicher Fruchtzucker in frischem Obst und Gemüse, da dessen Konsum aufgrund der wechselseitigen Wirkungen der Nährstoffe nicht mit negativen Folgen einhergeht.  Im Entsaftungsprozess  gehen aber wichtige Ballaststoffe verloren, die die negativen Auswirkungen des Zuckers, wie beispielsweise ein schneller Anstieg und Abfall des Insulinspiegels, reduzieren. Die WHO differenziert deshalb nicht zwischen Zucker, der Produkten wie Cola zugesetzt wird und eigener Fruchtsüße in Säften. Wenn man bedenkt, dass Süßungsmittel in Softgetränken letztendlich auch  Auszüge aus Pflanzen wie Rüben, Zuckerrohr oder Mais sind, ein logischer Gedankengang. 

Mit durchschnittlich rund 90g Zucker pro Tag überschreiten wir Deutschen die Empfehlung um fast das vierfache.

Vor allem Fruchtsäfte stehen bei uns hoch im Kurs: Kein anderes Land auf der Welt konsumiert so viel davon wie wir. Bereits das Frühstück dürfte bei vielen den Tagesbedarf an Zucker überschreiten: Ein Glas Orangensaft (ca. 17g Zucker), ein 250g Becker Fruchtjoghurt (ca. 32g Zucker) und 50g eines konventionellen Müslis (ca. 11g Zucker). Allein der Joghurt reicht aus, um die tägliche Empfehlung zu überschreiten, mit dem ganzen Frühstück ist man mit 60g Zucker bereits bei mehr als dem doppelten  der Empfehlung. Häufig ist uns unser Zuckerkonsum auch gar nicht bewusst: Produkten wie Tomatensoße, Salatdressings und Brot werden häufig auch Unmengen an Zucker zugesetzt. Um Übergewicht, Diabetes und Herzkrankheiten zu minimieren, appelliert die Who für eine sogenannte Zuckersteuer. Seit April 2018 müssen in Großbritannien im Testversuch zunächst lediglich Hersteller von Softdrinks bei zu hohem Zuckergehalt zusätzliche Steuergelder zahlen: Bei Getränken mit mehr als 5g zugesetzten Zucker pro 100 Milliliter sind es 21 Cent mehr pro Liter, bei mehr als 8g pro 100 Milliliter sogar 28 Cent. Später soll das Konzept auf alle Lebensmittel ausgebreitet werden. Das Wort zugesetzt macht hier den kleinen aber feinen Unterschied: Im Gegensatz zur Empfehlung der Who sind Fruchtsäfte und -konzentrate von diesem Gesetzt ausgenommen.

Bereits vor Eintreten des Gesetztes zeigten sich Wirkungen: Vorbeugend haben fast alle Getränkemarken den Zuckergehalt ihrer Produkte gesenkt. Auch der Getränkekonzern Coca Cola hat den Zuckergehalt bei den Marken Fanta und Sprite von rund 7g auf 3g pro 100 Milliliter reduziert. Das Produkt Coca Cola selbst behält seinen Zuckergehalt. Um die zusätzliche Steuer zu umgehen, verkleinerte der Konzern die Flaschen und wälzt den Betrag durch eine zusätzliche Preiserhöhung von 20 Cent auf den Konsumenten ab. Da lediglich weißer und brauner Kristallzucker von der Steuer betroffen sind, ersetzen viele Konzerne die fehlende Süße aber lediglich durch Süßstoff. Zwar enthalten diese oft weniger Kalorien, die Grundidee, das Verlangen nach Süßem in der Bevölkerung zu reduzieren, wird damit allerdings verfehlt. Die zusätzlichen Steuergelder, welche im ersten Jahr auf rund 300 Millionen Euro geschätzt werden, sollen in den Schulsport und ein gesundes Frühstück an Schulen gehen.

Ob ein solches Gesetzt auch für Deutschland denkbar ist? Ein Bündnis aus mehr als 200 Ärzte appelliert an die Bundesregierung das Konzept zu übernehmen, mit dem Vorschlag die zusätzlichen Kosten durch Erhöhung des Verkaufspreises an den Konsumenten und nicht den Hersteller zu richten. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht sich allerdings klar gegen ein solches Gesetz aus:

„Dann können sich nur noch bestimmte Kreise solche Lebensmittel leisten, ich finde das nicht gerecht“, Eine ausgewogene Ernährung ist keine Frage des Geldbeutels. Wer mit frischen Lebensmitteln selbst kocht, kann sich gesund und durchaus günstig ernähren.“

Günstige gesunde Ernährung ist möglich, ja, aber zeitintensiv. Dass wir davon alle immer weniger haben zeigt sich häufig in unseren Ernährungsweisen. Die Forderung der Ärztekammer erscheint durchaus sinnvoll, wenn die zusätzlichen Steuern in die Aufklärung und Beratung für eine gesunde Ernährung investiert werden. Das Ziel ist letztendlich ein Umdenken der Gesellschaft. Wenn aber bestimmte Süßstoffe aus diesem Gesetzt ausgeschlossen werden, erachten die Vebraucher diese automatisch als gesünder, obwohl viele Ersatzstoffe ähnlich negative Auswirkungen, wie ein übermäßiger Zuckerkonsum aufweisen. Um verwirrende Austauschprozesse wie in Großbritannien zu vermeiden, sollte das Gesetz deswegen im Idealfall für alle Süßungsmittel gelten.

Für eine bessere Ernährungsbildung und mehr Transparenz setzt sich auch Julia Klöckner ein. Bereits in der Kita sollen Kinder sowohl praktisch als auch theoretisch mit einer gesunden Ernährung in Kontakt kommen. Dabei ist es besonders wichtig, auch deren Eltern zu mobilisieren, schließlich sind sie die Hauptverantwortlichen bei der Ernährung ihrer Kinder. Mit den gewonnenen Geldern wäre ein solches Bildungsprogramm möglich und könnte im weiteren Verlauf auch auf andere Bevölkerungsgruppen ausgeweitet werden. Damit solche Ansätze nicht letztendlich wie so oft am Geld scheitern, bleibt zu hoffen, dass Julia Klöckner ihre Meinung zu einer Zuckersteuer noch einmal überdenkt.