Trash oder Kunst? – Im Dialog mit einem Tattoo Artist

Eine Wolke mit fröhlichem Gesicht, eine Plastiktüte oder ein Drahtzaun mit Loch. Klingt erstmal nach recht belanglosen Dingen ohne jeglichen Zusammenhang. Doch befindet sich jedes genannte Motiv unter der Haut einer Person. Eine Tüte auf dem Unterarm, sieht das nicht total „asozial“ aus? Stünde der Name Beuys darunter, würde sich diese Idee wahrscheinlich längst hinter einer Vitrine im MoMA befinden. In meinem Gespräch mit Johannes, einem Künstler für die sogenannte Szene der „Trash-Tattoos“, philosophieren wir darüber, warum gerade die jüngeren Generationen sich vermehrt für scheinbar belanglose Motive entscheiden, warum Perfektion nicht immer das anzustrebende Ziel sein sollte und was man in diesem Bezug über das Leben lernen kann.

Bevor wir anfangen, stell dich doch erst mal vor:

Ich bin Johannes, bin bekannt unter Auto-K Tattoo, bin 27 Jahre alt, komme ursprünglich aus der Nähe von Stuttgart und bin nach Nürnberg für mein Studium gekommen. Ich studiere Design an der Hochschule, deshalb bin ich hier.

Und du tätowierst noch nebenbei?

Genau, also es ist mittlerweile ungefähr 50:50 mit dem Studium. Manchmal sogar ein bisschen mehr als das Studium. Das kommt ein bisschen zu kurz, leider.

Wie lange tätowierst du schon?

Ich tätowiere jetzt ziemlich genau seit drei Jahren.

Wie hast du damit angefangen?

Ich habe schon immer gern gezeichnet und habe dann irgendwann angefangen, mich für Tattoos zu interessieren – einfach weil ich selbst welche haben wollte. Durch Freunde, die auch tätowieren, bin ich da irgendwie ein bisschen rein geraten. Ich habe dann auch einen Freund gefragt, was er mir für einen Tipp geben kann und sein einziger Tipp war: einfach machen! Da dachte ich mir, ich habe jetzt schon seit über einem Jahr vor zu tätowieren, dann mach ich mal. Ich wollte nie Tätowierer werden, will ich immer noch nicht. Ich will nicht in einem Studio arbeiten, ich mache das hauptsächlich, weil es mir Spaß macht. Mir war es immer wichtig, dass ich nicht der Standardtätowierer bin, der nur das tätowiert, was der Kunde mitbringt – das habe ich nie gemacht.

Johannes‘ erstes an sich selbst gestochenes Tattoo.

Man gerät da also einfach so rein?

Ja, ein bisschen durch Zufall. Und dann hat es sofort angefangen, nachdem ich mir mein Tattoo gestochen hatte, dass aus dem Freundeskreis viele zu mir kamen, die auch welche wollten. Und dadurch hat sich das dann so ergeben. Ich habe das auch nie geübt, habe es eben direkt an mir selber ausprobiert, konnte dann ein bisschen abschätzen, wie es ungefähr funktioniert. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich dann extrem viel damit beschäftigt. Es ist auch schwer, dazu Informationen zu bekommen. Tätowierer erzählen nicht so gerne, wie sie vorgehen, wenn du nicht gerade in Ausbildung bei ihnen bist. Ich habe dann einfach versucht immer etwas dazu zu lernen, habe viel gelesen oder Youtube-Tutorials angesehen.

Woher nimmst du deine Inspiration?

Ganz unterschiedlich. Manchmal zeichne ich einfach so drauf los und schaue, was so passiert. Ich fange dann irgendwas an und weiß noch gar nicht, was es am Ende werden soll. Manchmal habe ich spontan eine Idee, weil ich irgendwo etwas aufgeschnappt habe, z.B. eine Werbung. Natürlich gibt es auch viele Dinge auf Social Media, hauptsächlich Bilder auf Instagram, von denen man inspiriert wird. Es sind dann gar nicht mal Bilder speziell von Tattoos, sondern generell alles, was man so sieht.

Also spielt das Internet und Social Media eine wichtige Rolle?

Auf jeden Fall. Eigentlich mache ich alle Termine über das Internet. Sogar eine Mail schreiben ist eher selten. Die meisten kontaktieren mich wirklich über Instagram – möglichst schnell, möglichst einfach.

Meinst du, dass deswegen vorwiegend „jüngere Leute“ zu dir kommen?

Definitiv. Ich glaube, deshalb ist die Zielgruppe generell jünger. Es hat auch ein bisschen damit zu tun, wie ich tätowiere. Es ist einfacher gehalten, also zum Beispiel nur bestehend aus Linien oder eben auch in Richtung Trash. Ich glaube viele sind mit dem Glauben aufgewachsen, dass Tattoos immer richtig gut aussehen müssen, damit sie nicht „asozial“ wirken. Heute will man, dass Tattoos ein bisschen „asozial“ aussehen, um sich auch von den anderen Generationen abzuheben.

Könnte man von einer Art Provokation sprechen? Im Sinne von: „Man ist nur einmal jung, warum sollte ich es nicht machen? Ich weiß nicht, was die Zukunft überhaupt bringt.“

In die Richtung geht es schon. Es ist aber auch nicht so, dass es den meisten komplett egal ist, was sie sich tätowieren lassen. Viele überlegen es sich wirklich gut und entscheiden sich bewusst für ein bestimmtes Motiv von mir, also auch für den simplen Stil.

Also hat es für viele doch einen emotionalen Hintergrund?

Es ist für viele eher eine Frage der Ästhetik. Bedeutung bekommt es für manche dadurch, was sie damit verbinden, sie suchen sich etwas aus, in das sie etwas interpretieren können. Sonst fällt die Wahl jedoch relativ wenig mit Bedeutung aus.

Was würdest du abschließend sagen: Ist das eher Trash oder Kunst, was du da machst?

Auf jeden Fall Trash! (lacht)

Aber das muss ja nichts Schlechtes sein!

Nein, etwas Gutes! Das Streben nach Perfektion kann nie wirklich erreicht werden. Es gibt kein perfektes Tattoo. Es ist immer von Menschen gemacht. Ich versuche erst gar nicht, nach dieser Perfektion zu trachten. Man sollte generell im Leben nicht immer Perfektion ansteuern, Spaß zu haben ist viel wichtiger als eine perfekte Karriere oder ein perfektes Leben. Es kann immer irgendetwas passieren, ein Unfall zum Beispiel. Mit dieser Einstellung gehe ich locker ans Leben ran und mache das eigentlich genau so mit den Tattoos. Als Künstler würde ich mich auch nicht unbedingt bezeichnen. Trotzdem habe ich einen persönlichen Anspruch an mich selbst, dem ich genügen möchte. Und wenn ich jetzt anfange, Leuten x-beliebige Federn zu tätowieren, nur weil sie das wollen, dann könnte ich damit natürlich viel Geld verdienen,  könnte das aber nicht ich mit mir vereinbaren. Da habe ich lieber weniger Geld und mache nur das, was mir Spaß macht.

 

Für all diejenigen, denen die Plastiktüte, die Wolke und der Zaun nicht so recht aus dem Kopf gehen wollen, können jetzt einfach ein wenig herunter scrollen und sich ein konkretes Bild vor Augen verschaffen, wie das ganze von Johannes umgesetzt aussieht. 

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