Nächtliches Festmahl

Ich begrüße den Selbstzweifel wie einen alten Bekannten. „Hey, lang nicht mehr gesehen. Schön, dass du mal wieder vorbeischaust.“

Das meine ich natürlich nicht so, aber ich will ihn nicht provozieren, sonst bittet er nur wieder den Selbsthass um Verstärkung und dann wird es richtig anstrengend. Letztendlich hilft meine aufgesetzte Höflichkeit jedoch auch nichts, Selbsthass hat sich nur ein paar Minuten verspätet.

Wenn die beiden zusammen in meinem Kopf aufschlagen, werde ich sie immer so schwer los. Sie sind ziemlich hartnäckige Gäste. Ein bisschen wie zwei Stoner, die deine Hausparty selbst dann nicht verlassen, wenn es drei Uhr morgens ist und die Anderen schon vor Stunden gegangen sind. Sie diskutieren nur, ob sie zu McDonald’s fahren sollten, finden es bei mir aber einfach schöner.

Dann fragen sie, ob ich etwas zu essen da habe, Kiffen macht ja bekanntermaßen ziemlichen Kohldampf. Ich tue dann so, als würde ich in der Küche nur Cornflakes finden, und werfe sie ihnen hin. Ich beobachte die beiden, während sie sich über das trockene Zeug hermachen, und fürchte, es wird ihnen nicht reichen.

Ausgerechnet jetzt muss ich auf die Toilette. Ich sprinte also auf den Topf, will die beiden nicht zu lange alleine lassen.

Als ich mit halb geöffnetem Hosenstall in die Küche zurückkehre, muss ich feststellen, dass ich bereits zu spät bin. Auf dem Boden liegt eine leere Tüte Selbstachtung, zwei ebenfalls leere Dosen Optimismus und Selbstzweifel öffnet gerade eine Flasche ruhigen Schlaf. „Ich hoffe, das geht klar, Kumpel“, sagt er und nimmt einen Schluck. „Musst wohl morgen einkaufen gehen“, fügt Selbsthass mit halb geschlossenen, roten Augen und einem unschuldigen Lächeln auf den Lippen hinzu. Ich nicke resignierend.

Sie plündern also mal wieder meine Vorräte. Sehr ärgerlich, wenn man bedenkt, wie viel Mühe und Zeit mich ihr Ansammeln gekostet hat. Gegen vier haben die beiden dann endlich genug. Sie packen ihre Jutebeutel, geben mir kurz die Hand und verschwinden draußen in der Dunkelheit. Davor bedanken sie sich noch für die Gastfreundschaft. „Keine Ursache“, erwidere ich.

In der Küche sammle ich die übriggebliebenen Krümel und Verpackungen auf. Es ist nicht viel, aber den letzten Schluck ruhigen Schlaf trinke ich noch. Das muss für ein bis zwei Stunden halten.

Wenigstens wollten sie heute nicht übernachten, denke ich. Beschwipst und besitzlos lege ich mich auf das Sofa. Ich weiß, dass sie morgen wiederkommen werden. Selbstzweifel hat sein Fahrrad hier vergessen.