Nichts ist so sicher wie die ständige Veränderung

Der Herr: Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

Mephistopheles: Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht!

(Faust I, Goethe)

Hätte man vor nicht allzu langer Zeit vielleicht noch geschmunzelt und gesagt: „Ach, lieber Mephisto, jetzt hab dich doch nicht so“, könnte dieser Dialog heute mit weitaus weniger Humor, dafür vielleicht mit gerunzelter Stirn und einem ernsten Nicken begrüßt werden. Denn zugegebenermaßen haben wir im Angesicht der derzeitigen Lage schon rosigere Zeiten erlebt. 

Seit Beginn des Neuen Jahres folgt eine schlechte Nachricht der nächsten.

Der Konflikt zwischen den USA und Iran, Buschbrände in Australien, der Flugzeugabsturz einer ukrainischen Passagiermaschine, Flüchtlingskrise an griechischer Grenze, die Anschläge in Hanau und Halle, das fehlgeschlagene Impeachmentverfahren gegen US-Präsident Trump – nur um mal ein paar der Schlagzeilen zu nennen – und schließlich: 

Das Coronavirus. 

Wird man uns in 50 Jahren fragen, weshalb die ganze Weltbevölkerung in diesen Zeiten zuhause bleiben musste, so wird die Antwort den ein oder anderen vielleicht im ersten Moment belustigen:

„Naja, also ein Chinese ist morgens aufgestanden und hatte wirklich große Lust auf einen Fledermaus-Snack. Ja, das lief dann halt nicht so gut für den Rest der Chinesen. Und für die Europäer. Und die Amerikaner. Eigentlich für alle.“

Nun, dieses Gerücht lässt manch einen zwar schmunzeln, darf jedoch so pauschal nicht gesagt werden, das ist klar. Auch wenn Fledermäuse zwar in Teilen Asiens auf dem Speiseplan stehen und diverse Wildtiere auf den Märkten in Wuhan angeboten werden, ist der genaue Auslöser bisher noch ungewiss. Mehr noch schieben sich China und die USA momentan gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Internationale Seuchenexperten teilen jedoch die Meinung, dass das Virus seinen Ursprung in Wuhan fand.

Wie in vielen anderen Ländern auch, herrscht deshalb in Deutschland derzeit ein Ausnahmezustand. Jeder bleibt zuhause, jeder übernimmt für sich und seine Mitmenschen Verantwortung.

„Nie war es so wichtig, gemeinsam alleine zu sein, um auf alle aufzupassen!“ (ZEIT-Magazin). 

Können wir das umsetzen, das heißt, haben wir die Möglichkeit uns in unsere Wohnung, unser Haus, unsere eigenen vier Wände zurückzuziehen, gehören wir damit zu dem privilegierten Teil der Gesellschaft. Das muss gesagt werden, denn schnell verliert man aus den Augen, dass die Folgen einer globalen Gesundheitskrise uns als Letztes treffen. 

Zu den schwerwiegenden Folgen zählt übrigens nicht, eine Nudelpackung weniger als sonst kaufen zu können. 

Doch an dieser Stelle Schluss mit dem Zynismus. Trotz aller Privilegien ist es nämlich verständlich, dass die Krise Schwierigkeiten mit sich bringt, die vor allem bei Menschen mit bereits vorhandenen psychischen Beschwerden anschlagen. Schlafprobleme, Angstzustände, ständiges Grübeln, was sein kann und was nicht sein kann. 

Vor allem zwei Dinge machen den meisten zu schaffen: Der Alltag bricht weg und dazu leiden viele unter der Ungewissheit vor der Zukunft. Beide Faktoren verstärken sich wechselseitig. Wo man derzeit nicht seinen sozialen Kontakten oder seiner Arbeit nachgehen kann, vielleicht auch seinen Hobbys (insofern diese beispielsweise Teamsport beinhalten), folgt darauf die Frage, wann und in welchem Ausmaß dies in nächster Zeit überhaupt wieder möglich sein wird. 

Fehlende Antworten stellen eine Problematik dar, die, um unser Eingangsbeispiel von Goethe wieder aufzugreifen, auch schon unseren lieben Faust beschäftigte. Das ist keine Aufforderung direkt einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, sicherlich gibt es auch noch andere, weitaus bessere Lösungsansätze – wie etwa den Blick auf sein Inneres zu richten. 

Was jetzt wichtig ist für unsere mentale Gesundheit:

Seine sozialen Kontakte pflegen. Tröstend ist, dass wir trotz allem in dieser Krise nicht alleine sind. Gerade im Zeitalter der Vernetzung und des ständiges Austausches ist es mehr als leicht, anderen Menschen seine Gefühle mitzuteilen und sich gegenseitig zu stützen, wenn man es braucht. Manchmal benötigt es nur ein einfühlsames „Hey, ich verstehe wie es dir geht, mir geht es genau so und ich fühle mit dir“, damit einem alles etwas leichter, etwas weniger erdrückend vorkommt. 

Ein weiterer Aspekt: Seine Gefühle akzeptieren. 

Es ist vollkommen normal, überfordert oder besorgt zu sein, doch wenn wenn man sich zu tief in den Strudel des Gefühlschaos hineinreißen lässt, wird es gefährlich. 

Diesen Sog der Gefühle zu unterdrücken ist ab und an leichter gesagt als getan. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, ihm entgegen zu wirken. Etwa, indem man den Fokus zurück auf die kleinen Dinge setzt: Sei es der alltägliche Spaziergang oder die Tasse Kaffee am Morgen, beides verschiebt den Schein der unwirklichen Krise wieder in Richtung der Realität. Was sind Dinge, die euch Spaß machen? Abgesehen von den Klassikern Lesen, Musik oder Yoga. Vielleicht ja auch Basteln, Kreuzworträtsel oder Verschwörungstheorien aufstellen? Elvis Presley lebt – ist Justin Bieber ein Reptil? Aber bitte nicht schon wieder eine flache Erde. 

Mit erneuter Ernsthaftigkeit und zu guter Letzt: 

Nichts ist so sicher wie die ständige Veränderung. 

Hat man sich das einmal bewusst gemacht, so fällt es einem vielleicht auch leichter, mit der derzeitigen Krise und der damit einhergehenden Ungewissheit umzugehen. Auch diese Krise werden wir überwinden, so wie wir es in der Vergangenheit schon viele Male getan haben. Das ist nicht die erste weltweite Gesundheitskrise und vermutlich wird es auch nicht die letzte sein. Aber dazwischen gibt es Phasen der Normalität oder zumindest einer neuen Normalität, in der wir erneut in unseren Alltag versinken und uns vermutlich danach sehnen, wieder etwas mehr Zeit für uns selbst zuhaben. 

In diesem Sinne:

Passen wir aufeinander auf und seien wir uns gegenseitig die Freunde, die wir uns gerade selber wünschen. 

 

 

 

Illustration: Lisa Miethke