Der technische Fortschritt durchdringt zunehmend all unsere Lebensbereiche. Auch in der modernen Kriegsführung ist diese Entwicklung zu bemerken. Anstatt konventioneller militärischer Auseinandersetzungen auf dem offenen Feld, kommen zunehmend aus der Ferne gesteuerte Drohnen und KI-gesteuerte Maschinen zum Einsatz. Doch sinkt damit nicht die Hemmschwelle der Soldaten im Umgang mit Waffengewalt? Und wie wirkt sich diese Form der Kriegsführung auf die Situation von Zivilisten in bewaffneten Konflikten aus? Diesen und noch vielen weiteren Fragen stellten sich am Donnerstag, dem 23.05.2019, einige Experten im Rahmen der Passauer Politiktage.
Mit dabei waren Dr. Niklas Schörnig, Wissenschaftler im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung, Nina Bernarding, Direktorin einer NGO für feministische Außenpolitik, Oberst Dr. Frank Richter, Mitglied des Bundesministeriums für Verteidigung und John Reyels, Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Prof. Dr. Daniel Göler, dem Lehrstuhlinhaber der Professur für Europäische Politik an der Universität Passau.
Zu Beginn stellt Oberst Frank Richter die Herausforderungen der heutigen Zeit in den Mittelpunkt. „Das zukünftige Konfliktbild zeichnet sich in erster Linie durch hybride Methoden der Kriegsführung aus“, betont er. Hierbei vermischen sich die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zivilen und militärischen Methoden, und sogar zwischen Staaten zunehmend. Dass sich die Technik des Militärs dabei weiterentwickeln muss, um mit den neuen Herausforderungen mithalten zu können, sieht er dabei als Notwendigkeit an. Immerhin habe der Staat dem Bürger gegenüber eine Schutzfunktion, der er nur so gerecht werden kann.
„Auf einen Soldaten, sterben heute acht Zivilsten“
Für Nina Bernarding steht das Ziel, Kriege zu verhindern im Fokus. Denn: „Auf einen Soldaten, sterben heute acht Zivilsten“. Besonders die großflächigen Explosivwaffen sieht sie als Grund für die große Zahl ziviler Opfer an. Den neuesten Entwicklungen im militärischen Bereich steht sie dabei kritisch gegenüber. Da durch den Einsatz autonomer und ferngesteuerter Waffen das Risiko sinke, als Soldat selbst Opfer zu werden, nehme die Bereitschaft, leichtfertig Angriffe durchzuführen, zu.
Dr. Niklas Schörnig betont als Wissenschaftler in der Friedens- und Konfliktforschung, dass eine zunehmende emotionale Distanziertheit der Soldaten nicht belegt sei. Die größere Gefahr gehe laut ihm von einer Enthemmung in der Politik aus. Denn solange keine eigenen Opfer zu beklagen sind, sei die heimische Bevölkerung leichter von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen. Andererseits haben neue Technologien, wenn sie richtig eingesetzt werden, das Potential, die Zahl der zivilen Opfer zu verringern. Unter Präsident Obama konnte beispielsweise die Zahl der getöteten Zivilisten im Afghanistan Konflikt von 25 auf sieben Prozent gesenkt werden. Unter Trump stieg diese Quote wieder. Kurzum: Der politische Wille ist hierbei ausschlaggebend.
John Reyels stellt sich als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes im Referat Abrüstung und Rüstungskontrolle die Frage: „Welchen Fortschritt wollen wir eigentlich?“ Dass man sich darüber keineswegs einig ist, weiß er aus Erfahrung. Er sitzt für die Bundesregierung in den Meetings zur UN-Waffenkonvention zum Thema Killerroboter und versucht dabei, gemeinsame Lösungen mit anderen Staaten zu finden. Das große Spektrum an verschiedenen Meinungen macht die Kompromissfindung dabei nicht gerade einfacher. Dennoch ist er der Überzeugung, dass diese Herausforderungen nur durch eine aktive Gestaltung und internationale Lösungen bewältigt werden können.
„Die NATO ist und bleibt ein nukleares Bündnis.“
Nach dieser sehr ausführlichen Vorstellungsrunde und Darlegung der eigenen Standpunkte, wurde die Podiumsdiskussion für Publikumsfragen geöffnet. Die anwesenden Studierenden stellten dabei Fragen gezielt an die jeweiligen Experten. Auf die Frage nach der Zukunft der NATO, antwortet Richter: „Das Prinzip der Abschreckung hat bisher funktioniert und wird deshalb hoffentlich auch in Zukunft funktionieren. Die NATO ist und bleibt ein nukleares Bündnis.“ Als langfristiges Ziel hofft er dennoch auf eine Welt ohne Atomwaffen. Nina Bernarding ist hierbei der Meinung, dass „mehr Waffen nicht zu mehr Sicherheit führen“ und der nuklearen Abrüstung eine hohe Priorität zukommen werden sollte.
Am Ende der Veranstaltung resümiert Moderator Prof. Dr. Daniel Göler einen großen Konsens zwischen den anwesenden Experten. Dies sei bei anwesenden Vertretern aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, der Politik und des Militärs keineswegs selbstverständlich.