„Es war irgendwie so klein und kuschelig hier“ – Studieren in Passau in den 80’er Jahren

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Janina Lambrich Ressortleiterin Gesellschaft

Meine Mutter ist der Grund, warum ich in Passau studiere. Sie hat mir, seit ich denken kann, von ihrer Studienzeit in der Dreiflüssestadt vorgeschwärmt und mir davon abgeraten, in einer Großstadt wie München zu studieren. Ich bin ihrem Raschlag gefolgt und im Wintersemester 2016/17  nach Passau gezogen – zusammen mit der Tochter von der besten Freundin meiner Mutter. Die beiden haben sich während ihres Jura-Studiums kennengelernt und denken bis heute gerne an die Zeit in Passau zurück.

 

Wann habt ihr in Passau studiert?
Anette: Ich vom Wintersemester ’82/83 bis zum Sommersemester ’89.
Monika: Ich war vom Sommersemester ’84 bis ‚zum Sommersemester 89 da. Ich habe im Gegensatz zu Anette kein Auslandsjahr gemacht.
Anette: Ich habe mir aber auch so ein bisschen mehr Zeit gelassen.

Warum seid ihr zum Studieren nach Passau gegangen?
A: Wegen der ZVS, also der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze. Damals hast du dich für ein Studienfach entschiedenen und hast dann eine Liste von Städten in einer Rangfolge angegeben. Wenn ich mich richtig erinnere, stand Passau bei mir an letzter Stelle.

Warum?
A: Ich habe in der Nähe von Darmstadt gewohnt und wusste vor der Bewerbung noch nicht mal, wo Passau ist. Als ich erfahren habe, dass es an der österreichischen Grenze liegt, wollte ich auf keinen Fall hier hin.
M: Ich bin freiwillig gekommen. Ich wusste nicht so genau was ich studieren will und habe mich immer für Sprachen interessiert. Aber mein Papa war der Meinung, dass Sprachen allein nicht besonders zukunftsträchtig sind. In Passau gab es damals schon die fachspezifische Fremdsprachenausbildung und Jura in Kombination mit Fremdsprachen war dann so der Kompromiss.

Und wie hat euch Passau nach der Ankunft gefallen?
A: Das erste Semester war ganz grauenhaft. Ich kannte niemanden und habe in einem kleinen Zimmer in einer Gaststätte an der Donau gewohnt, das mir mein Vater über Kontakte organisiert hat. Das bestand eigentlich nur aus Bett, Stuhl, Tisch, einer kleinen Kochplatte und einem Kühlschrank. Ich war nur in der Uni, weil das Zimmer so grauenhaft war und hatte tierisches Heimweh. Aber nach einem Jahr bin ich da raus und ins Studentenwohnheim. Ab da wurde es besser.
M: Ich habe anfangs in so einer Art WG oberhalb von der Neuburgerstraße gewohnt. Das war das Elternhaus von Bekannten meines Vaters und die obere Etage wurde an Studenten vermietet. Ich konnte mir nicht aussuchen, mit wem ich zusammen wohne und habe mir die Wohnung dann mit drei Jungs geteilt, die ziemlich chaotisch waren. Und die Hausbesitzerin hat uns Sonntag vormittags immer Braten mit Knödel gebracht. Sie hat es ja nur gut gemeint, aber um die Uhrzeit hatten wir eigentlich gar kein Hunger auf so was Deftiges. Nach zwei Semestern bin ich dann auch nochmal umgezogen in ein Einzimmer-Appartement in der Innstadt. Da habe ich mich viel wohler gefühlt und bin bis zum Ende geblieben.

Wie habt ihr beide euch kennengelernt?
A: Ja, gute Frage …
M: Das wissen wir nicht mehr so genau.
A: Ich glaube aber es war erst nach meinem Auslandsjahr.
M: Ja, auf jeden Fall.
A: Davor war ich ja schon ein paar Semester über dir. Als ich zurückgekommen bin, hatten wir dann das gleiche Wahlfach. Und ich glaub über das und die Vorlesungen haben wir uns irgendwie kennengelernt.

Wie viel Zeit hattet ihr dann noch zusammen in Passau?
A: So zweieinhalb bis drei Jahre.

Anette nach einer Examensprüfung

Wenn ihr an die Zeit zurückdenkt, was sind die ersten Assoziationen?
M: Wir hatten sehr viel Spaß und waren viel unterwegs.
A: Da die Leute echt von überall herkamen, war es total die bunte Mischung. Und weil die Passauer ein bisschen mit den Studenten gefremdelt haben – die Uni war damals ja noch sehr jung  – waren wir auch ziemlich unter uns und ein bisschen wie in einer Parallelwelt. Es war irgendwie eine sehr enge Gemeinschaft, sogar zu den Professoren hatte man einen relativen engen Kontakt und wurde mal mit in die Uni genommen oder so.
M: Ja, man hat auch einfach viele gekannt, weil wir nur so um die 5.000 Studenten waren. In der Jura Fakultät haben wir mehr oder wenig alle gekannt. Und über Fremdsprachen und das Sportzentrum kannte man auch viele Leute aus anderen Studiengängen.
A: Und weils so klein war, hast du auch jede Veranstaltung mitbekommen. Wir mussten halt damals noch zum schwarzen Brett gehen, aber da hing alles aus.
M: Ja, damals gab es ziemlich viele Campusfeste.

Hattet ihr Stammkneipen oder Bars?
A: Ich war immer in der Gmoa. Da war das Bier einfach am billigsten. Und gegen Ende war das Kowalski relativ hipp.
M: Bei mir in der Innstadt gab es so ein Gasthaus, wo wir immer ganz am Schluss hin sind, weil man da nach Mitternacht noch eine riesen Portion Pommes bekommen hat.
A: In der Innstadt war damals am meisten los. Ich habe gegen Ende am Maria Hilfberg gewohnt und musste immer dann noch den Berg rauftaumeln.
M: Stimmt, ich konnte quasi direkt in mein Bett fallen. Tagsüber sind wir auch gerne zum Café Blaas gefahren, da hat man so eine schöne Aussicht über Passau.
A: Im Hackelberg Biergarten waren wir auch oft.
M: Und am Ilzstausee, also so viel hat sich nicht geändert.

Monikas Abschlussfeier

Und wie war es Passau zu verlassen?
M: Das war schon ein Einschnitt. Man hat viele Freundschaften geknüpft und musste sich schon ziemlich umgewöhnen.
A: Mir ist Passau auch ziemlich ans Herz gewachsen, obwohl ich ja gar nicht hier hinwollte. Im Laufe der Zeit habe ich auch mit ein paar Niederbayern Kontakt geknüpft und war echt traurig, als ich wegmusste.
M: Es war echt ein schöner Lebensabschnitt. Den hab ich bis heute gute in Erinnerung.
A: Ja, es war irgendwie so klein und kuschelig hier.

Wie ging es danach weiter?
M: Ich habe dann mein Referendariat in München und Umgebung gemacht und dort auch mein zweites Staatsexamen gemacht. 1992 hab ich dann in der Versicherungskammer Bayern zu arbeiten angefangen und da bin ich bis heute.
A: Ich bin für das Referendariat nach Landshut gegangen und das zweite Staatsexamen wieder in Passau geschrieben. 1993 habe ich dann in einer Anwaltskanzlei in Landshut angefangen. Anwältin bin ich immer noch, inzwischen allerdings in Hamburg.

Habt ihr noch zu anderen aus der Zeit in Passau Kontakt?
M: Das hat sich schon alles ziemlich verlaufen. Eine andere Freundin ist auch nach München gegangen, zu der habe ich noch regelmäßig Kontakt. Und in meinem Stadtteil wohnt jemand, der in unserem Jahrgang war, aber so richtig kenne ich den nicht.
A: Ja, es sind wirklich nur so ein paar wenige.

Haben sich die Kontakte schnell verlaufen?
A: Nein, das hat schon gedauert, anfangs hatte ich noch zu vielen Kontakt.
M: Ja, zwei gute Freunde von uns waren ’95 sogar noch auf meiner Hochzeit. Danach hat man sich dann irgendwie aus den Augen verloren.
A: Ja, als dann alle angefangen haben zu heiraten und Kinder zu kriegen hat man sich irgendwie aus den Augen verloren. Und dadurch, dass viele nicht aus Bayern, waren haben sich die Leute halt in ganz Deutschland verteilt.
M: Mir laufen aber bis heute noch Leute aus Passau über den Weg. Als ich nach dem Referendariat ein Bewerbungsgespräch hatte, hat mich dort einer in Empfang genommen, der damals in Passau Hiwi war – da hatte ich natürlich gleich Pluspunkte (lacht). Mein letzter Chef hat auch in Passau studiert, allerdings vor uns.
A: Das geht mir sogar in Hamburg so. Ich kenne zwei Richter, die auch in Passau studiert haben.

Wie ist es zurück in Passau zu sein?
M: Immer wieder schön, ein bisschen wie nach Hause kommen.
A: Wenn man hier ist, stellt man einfach fest, dass die positiven Erinnerungen überwiegen.

Hat sich viel verändert?
A: Also wenn man durchs Nikola Kloster an der Cafeteria vorbei schlendert, ist das einfach noch original dasselbe.
M: Ja, das orangene Gebäude gab es ja damals auch schon und das Sportzentrum auch. Aber es ist schon erstaunlich, wie die Uni dazwischen expandiert ist. Als wir fertig wurden, wurde grade das Gebäude für die Wirtschaftswissenschaften fertig. Da war damals die Mensa drin.
A: Ja und die neue Bibliothek wurde dahinter schon gebaut.
M: Auch um Passau herum hat sich viel verändert. Das Gewerbegebiet gab es damals nicht. Und auch die Dreiländerhalle nicht, die Dult war damals immer vor der Nibelungenhalle am am Exerzierplatz. Die Altstadt und das Innpanorama haben sich aber nicht verändert.

Ist Studieren die beste Zeit des Lebens?
M(sofort): Ja.
A: Echt findest du?
M: Ja, schon, du nicht?
A: Also es war schon eine ziemlich coole Zeit. Aber ich bin so ein Prüfungsschisser. Bei der mündlichen Abschlussprüfung dachten die wahrscheinlich, ich spring gleich aus dem Fenster vom Nikola Kloster (lacht). Deswegen war ich froh, als ich keine Prüfungen mehr machen musste. Und ich fand es gut, endlich finanziell unabhängig zu sein.

Würdet ihr euch im Nachhinein wieder für ein Studium in Passau entschieden?
M: Auf jeden Fall, jedes Mal wieder.
A: Nachdem ich weiß, wie schön es war, hätte ich das glaub ich auch gemacht.

Die beiden fanden leider kein gemeinsames Bild aus ihrer Zeit in Passau.