Die Feierabenddroge

Hochschulgruppe, Abend mit Freunden, Weihnachtsmarkt, Silvester, Geburtstag.

Bier, Glühwein, Sekt und sonstiger Alkohol gehören in dieser Reihe wohl zu den ersten Assoziationen. Und der ein oder andere denkt sich vielleicht jetzt schon: Die Einstiegs-Aufzählungsreihe? Viel zu lang, viel zu langweilig, viel zu offensichtlich. Sehe ich genauso. Die Reihe ist lang, so lang, dass sie als Einstieg wahrscheinlich keine besondere Wirkung erzielt hat. Weil Alkohol eben einfach dazu gehört. Und das Beste: die Reihe lässt sich ohne weiteres beliebig verlängern, und das gibt mir zu denken. Alkohol ist fest integriert in unseren Alltag. Alkohol, C2H5OH, Droge.

Aber sind wir nicht alle mit dem Verständnis aufgewachsen, dass Papa halt jeden Abend sein Feierabendbier trinkt? Oder Mama ein Gläschen Wein beim Fernsehen? Daran ist ja zunächst auch nichts Verwerfliches. Die Frage ist nur, wie schnell werden aus dem einen Bier am Abend drei, und wie schnell wird die neue Dosis zum Ritual? Klar, „die Dosis macht das Gift“. Aber die Dosierung durch die Gesellschaft ist ziemlich hoch.

Alkohol begegnet uns überall und ist so tief in der Gesellschaft verwurzelt, dass man nur den Fernseher einzuschalten braucht um zu sehen, wie oft er beiläufig aufgegriffen wird. Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums veröffentlichte die Uni Würzburg erst kürzlich Untersuchungen über das Auftauchen und die Darstellung von Drogen im deutschen Fernsehen, allen  voran natürlich der Alltagsdroge Alkohol. In der Studie wurden eine Woche lang die Programme der einschlägigen deutschen Fernsehsender beobachtet und analysiert. Das Ergebnis ist wenig überraschend, sollte deshalb aber umso mehr zu denken geben. Zum Beispiel ist in 61,7 Prozent aller Sendungen Alkohol zu sehen. Total normal also.

Vielleicht ist das einer der Gründe, warum manchmal ein regelrechter gesellschaftlicher Druck da ist, Alkohol konsumieren zu „müssen“. Ab einem gewissen Alter herrscht dann plötzlich die Erwartung vor „du bist über Achtzehn, natürlich trinkst du Alkohol“ und falls nicht, leg dir lieber schon mal Argumente zur Rechtfertigung bereit. Aber warum denn eigentlich der ganze Stress und Zwang? Was viele zu vergessen scheinen: Nur weil regelmäßiger Alkoholkonsum legal und für viele normal ist, muss er nicht für alle selbstverständlich sein. Geschmäcker sind verschieden, der eine mag keine Grapefruit, der andere isst keine Oliven und viele mögen eben keinen Alkohol. Ihn aus der Gesellschaft verbannen zu wollen ist wahrscheinlich unmöglich. Aber es wäre vielleicht ein guter Anfang jemanden nicht zu verurteilen, nur weil er ein bestimmtes Getränk nicht mag, oder weil er für sich die Entscheidung getroffen hat, nicht trinken zu wollen. Denn wenn man vom Alkohol vor allem als Genussmittel statt als Droge ausgehen möchte, dann sollte doch auch noch ein gewisses Maß an „Genuss“ für den Konsumenten drin sein, und nicht nur der Prozentsatz an reinem Alkohol. Oder nicht?