Poesie in Passau

Mit Poetry Slam fing für Julia Engelmann alles an. Seit einer Woche tourt die gebürtige Bremerin mit ihrem Programm „Jetzt, Baby“ durch Deutschland. Am vergangen Freitag kam die heute 25-jährige Schauspielerin und Dichterin in die Dreiländerhalle, um Passau mit Poesie und Musik zu unterhalten.

Die schwarz-weiße Häusersilhouette einer schlafenden Stadt, darüber ein weiter dunkelblauer Sternenhimmel. Zwei junge Männer treten vor die Hochhäuser aus Pappe. Eine E-Gitarre ertönt, dann setzt das Schlagzeug ein. Das Publikum wartet gespannt auf die Gastgeberin des Abends. Und plötzlich hüpft sie auf die Bühne, blonder Pferdeschwanz, schwarze Flatterhose und weiße Sneaker. Julia Engelmann grinst über beide Ohren, greift in ihre Hosentaschen und wirft zwei Hände voll buntem Konfetti durch die Gegend. Gute-Laune-Musik und eine energiegeladene Julia beleben den Saal.
Als sie anfängt zu erzählen, mit einer ungezwungenen ja fast schon unvorbereitet wirkenden Art, hängen die Zuschauer an ihren Lippen. Die Poetry-Slammerin erklärt, die großen Auftritte seien etwas Neues, sie und ihre Band noch sehr nervös. Sie spricht schnell, als würde sie jeden Moment über ihr eigenes Wort stolpern. Es ist nicht nur die Nervosität, es ist ihr Stil. „Aloha Passau!“ Es passt.

Beim Poetry Slam treten Dichterinnen und Dichter gegeneinander an und tragen in vorgegebener Zeit ihre selbstgeschriebenen Texte vor.
2013 begeisterte Engelmann bei einem dieser Wettbewerbe in Bielefeld mit ihrem Auftritt „One Day/Reckoning Text“ das Publikum. Der Mitschnitt wurde Anfang 2014 über 10 Millionen Mal auf YouTube geklickt, schnell wurde die Psychologiestudentin zum Social Media Star. Seither verbinden viele mit dieser modernen Form der Poesie sofort Julia Engelmann.
„An Poetry Slam mochte ich sofort so viele Sachen“, erzählt sie, „also zum Ersten, dass es mich befreit wenn jemand anderes auch laut sagt, was er denkt. Und diesen Pool von allgemein laut gemachten, sichtbar gemachten Gedanken, den wollte ich irgendwie unterstützen und auch laut sagen, was ich denke. Obwohl ich davor eher sehr, sehr still war, würd’ ich sagen.“

Wenn Engelmann über sich und ihre Poesie erzählt, wie alles angefangen hat, wie sie zu ihren Texten kommt, schweift sie immer wieder in kleine Geschichten aus ihrem Leben ab. Sie erzählt über peinliche Situationen und alles Komische, was in ihrem Kopf vorgeht, auch ganz banale Dinge, die jeder im Publikum kennt.
Gar nicht banal sind die Themen ihrer Gedichte und Lieder. Einsamkeit, die Fähigkeit alleine sein zu können, Depressionen, Vergänglichkeit, Freundschaft, Liebe, Familie und Glück.
Oft melancholisch und nachdenklich, und dann plötzlich wieder träumerisch und voller Lebensfreude.

Engelmann sagt, was sie denkt, spricht über Dinge, die andere nicht aussprechen. Es ist ihre Botschaft an den Zuhörer, dass man eben doch darüber schreiben und reden kann, man nicht alleine ist. Jeder Einzelne im Saal kann sich mit ihren Texten identifizieren, sich in den Bildern, die sie mit ihren Worten malt, wiederfinden. Die junge Frau lässt das Publikum an ihren persönlichsten Gedanken teilhaben.

Vielleicht ist es nicht die tiefsinnigste Poesie unserer Zeit, und sicherlich gibt es da draußen noch viele andere großartige Poetry-Slammer. Aber gerade Julia Engelmanns authentische Art berührt die Zuschauer, begeistert sie über Altersklassen hinweg.
„Dieser Abend hat uns auf eine so schöne Art und Weise nachdenklich gemacht und inspiriert“, sagt ein junger Zuschauer beim Hinauslaufen. Er hat recht.