Foto: ProLi / Juli und Andreas Vesper

„Das ProLi ist ein Wohlfühlort“ | Lokalrunde

Passau hat das Glück, Heimat vieler einzigartiger Gastronomiebetriebe zu sein. Viele davon haben eine jahrzehntelange Geschichte, die dem Besucher, der jeden Tag seine erste Tasse Kaffee dort trinkt oder jeden Samstag eine Pizza dort isst, verborgen bleibt. Unser heutiger Gast in der Lokalrunde kann auf eine Geschichte zurückblicken, die vor allem zeigt, was familiärer Zusammenhalt bewirken kann. Seit Jahrzehnten ein allseits geliebtes Kino, mittlerweile ein Café, das aus der Gastrokultur der Stadt nicht mehr wegzudenken ist. 

Herzlich willkommen im ProLi

 


Für einen Film braucht es mehr als eine Kamera. Für einen Film, da braucht es ein Drehbuch über eine spannende Geschichte, eine beeindruckende Kulisse, den optimalen Ton, einen guten Regisseur und vor allem Darsteller, die eine Geschichte zum Leben erwecken. Das ProLi hat in den Jahrzehnten seines Bestehens eine Geschichte geschrieben, die eines Drehbuchs würdig ist. Juli und Andreas Vesper sind die Regisseure, die das Drehbuch heute weiterschreiben. Vor einer Kulisse, die sich einerseits bedeutend verändert hat und andererseits die Vergangenheit noch immer mitträgt. Den optimalen Ton haben die beiden längst gefunden. Mit Freundlichkeit und Begeisterung begegnen sie nicht nur ihren Gästen, sondern vor allem ihren Hauptdarstellern: dem Team, das die Handlung trägt und ohne das der Blockbuster ProLi nicht möglich wäre. 

Als 1927 Andreas Vespers Urgroßvater das Gebäude gekauft hat, in dem sich das ProLi (oder ausgeschrieben: Promenade Lichtspiele) befindet, beheimatete es bereits seit 17 Jahren ein Kino. „Ganz früher war das eher so eine Scheune, wo die einen Projektor reingestellt haben“, erzählt Juli Vesper. Unter dem Großvater ihres Mannes Andreas entstand schließlich erstmals ein richtiger Kinosaal, mit einem Balkon, auf dem die Leute während der Vorstellung rauchen durften. Nach dem zweiten Weltkrieg durfte Familie Vesper Filme für die amerikanischen Soldaten, die in Passau stationiert waren, zeigen. „Das war das große Glück dieser Familie damals“, so Juli Vesper. Durch die Beziehungen, die dadurch entstanden, war es Andreas’ Großvater nach und nach erlaubt immer mehr Filme zu zeigen und einen normalen Kinobetrieb aufzubauen. Gerade aus dieser Zeit und den Kriegsjahren zuvor gibt es viele Anekdoten, die mündlich in der Familie weitergeben wurden. So soll Andreas’ Urgroßmutter beispielsweise während des zweiten Weltkriegs heimlich Juden, denen der Kinobesuch eigentlich untersagt war, durch den Hintereingang ins Kino gelassen haben. Später baute die nächste Generation, Manfred und Susanne Vesper, das ProLi um und aus einem Kinosaal wurden drei. Als „richtige Trendsetter“ bezeichnet Juli ihre Schwiegereltern heute. Sie seien damals ein großes Risiko eingegangen, weil man nicht wusste, ob die drei Säle gut angenommen würden. Jahre später im Jahr 2006 schlossen die Vespers das ProLi, nicht weil das Kino beim Publikum nicht gut ankam, sondern weil sie zwischenzeitlich neben dem Scharfrichterkino und dem Metropolis auch das Cineplex in der Neuen Mitte eröffnet hatten. „Noch mehr Kino braucht Passau nicht“, so der Gedanke vor der Schließung. Trotzdem war die Schließung des ProLi für alle emotional, besonders für die Mitarbeiter, die teilweise bereits für Andreas’ Großvater gearbeitet haben und somit die darauffolgenden Generationen der Vespers aufwachsen sahen. Für einige Jahre danach diente das ProLi als Veranstaltungslocation. Bis das Hochwasser 2013 das Gebäude traf.

„Da ist das ProLi komplett untergegangen“, erinnert sich Juli. Man habe anfangs noch versucht, alles immer weiter nach oben zu räumen, aber letztendlich half alles nichts. Nach dem Hochwasser blieb von dem alten Gebäude fast nichts mehr übrig. „Wenn du unten reingegangen bist, ging’s runter, weil das Fundament nicht mehr da war. Und dann hast du hochgeguckt und da war alles leer bis in den dritten Stock. Da waren dann die Balken, die da so hingen.“ Zwei Jahre dauerte es, bis das Gebäude überhaupt erst getrocknet war. Und dann stellte sich die Frage, was mit den Räumlichkeiten passieren sollte. Anfangs war die Überlegung, das Haus in Studentenwohnungen aufzuteilen und unten, wo das Hochwasser jederzeit wiederkommen könnte, eine Tiefgarage zu bauen. Letztendlich aber waren sich alle einig: „Es würde der Tradition nicht gerecht werden, da einfach Parkplätze reinzubauen.“ Also übernahmen Juli und Andreas das ProLi und entschieden sich fürs Kino. 

Ein Jahr lang wurde konzeptioniert und viel Arbeit in den Innenausbau investiert. Doch vor allem entstand langsam aber sicher das Café, das heute nicht mehr vom Kino wegzudenken ist. Juli hat während ihres Studiums bereits in einigen Gastronomiebetrieben gearbeitet und dort viel gebacken. Andreas wiederum hatte nach seinem Abitur kurz eine kleine Schülerkneipe im ProLi. Diese Erfahrungen gepaart mit dem Wunsch, zusammenzuarbeiten, bildeten die Grundlage für das gemeinsame Café. Auch Andreas’ Bruder Sebastian ist Teil des ProLi-Teams und kümmert sich vorrangig um alles Technische wie z.B. die Lichtsteuerung im Kino. Andreas selbst wiederum sorgt dafür, dass alles glatt läuft, was mit Buchhaltung und Organisation zu tun hat. „Und ich bin bei uns eher für die kreativen Sachen zuständig. Für die leckeren Sachen“, ergänzt Juli lachend. Aus den vom Hochwasser zerstörten Räumlichkeiten ist heute ein Ort geworden, der Gemütlichkeit ausstrahlt. Die hellblaue Theke in Form einer Welle, die an den Inn erinnern soll. Die Kuchen, die einen schon beim ersten Betreten anlachen. Der Kaffee-Geruch im ganzen Raum. Das große Logo, dass an der Wand über den Tischen leuchtet. Und draußen die Terrasse mit Blick auf den Dom und den Inn, der in gewisser Weise ein Teil des ProLi geworden ist. 

Im August 2018 war die Freude der Passauer schließlich groß. „Passau hat sein ProLi wieder“, titelte der Bürgerblick. Erstmal stand das Kino, das in Passau seit 2006 vermisst wurde, im Vordergrund. Eltern besuchten das Kino, die erzählten, sie hätten damals ihren ersten Kinofilm im ProLi gesehen und jetzt kämen sie mit ihren Kindern wieder dorthin, um mit ihnen deren ersten Kinofilm im ProLi zu schauen. Andere erzählten, sie hätten ihren ersten Kuss im ProLi gehabt. „Die Menschen, die hier leben, verbinden wahnsinnig viel damit“, hat Juli damals bemerkt. Nach kurzer Zeit aber fand das Café mindestens genauso großen Anklang bei den Gästen, vor allem bei denen der jüngeren Generation. Während das Kino schon immer sehr gemischtes Publikum anzog, fanden Kaffee, Kuchen und Frühstück bald schon vor allem bei Studenten großen Anklang. 

Die Kuchen, die mittlerweile stadtbekannt sind, hat Juli anfangs alle selbst gebacken. In der Anfangsphase des ProLi kamen häufig Aushilfen aus dem Cineplex vorbei, um bei den Kinovorstellungen zu helfen. Darunter fand Juli in Manu schnell den Hobbybäcker, der ihr ab dann beim Backen half. Mittlerweile backen im ProLi auch Julia und Canan. So haben die beiden den ganzen November über eine Torte für die Pasta!-Tortenaktion nach einem Rezept von Juli gebacken, das nicht einmal sie selbst zuvor ausprobiert hatte. „Wir haben einfach ganz tolle Leute, die das richtig gut machen“, so Juli. Das Team macht das ProLi aus. Juli und Andreas sind mit dem ProLi sehr verbunden und brauchen dementsprechend ein Team, das mit ebenso viel Begeisterung für das Café und das Kino arbeitet. Wichtig ist ihnen dabei zudem, dass sich die Mitarbeiter untereinander gut verstehen und sich zu 100% aufeinander verlassen können. Und genau das sei im ProLi der Fall, erzählt Juli stolz. Es sei besonders wichtig, dass jemand, der neu im ProLi anfängt, gut ins Team passt, weniger, was die Person kann und nicht kann.

Auf diese Weise hat der Spaß im ProLi einen hohen Stellenwert. Juli erinnert sich beispielsweise an viele der Antworten auf den Kontaktzetteln, die sie während der Corona-Pandemie von ihren Gästen ausfüllen lassen mussten. Dabei hat das ProLi auf den Zetteln einige Fragen hinzugefügt, bei denen die Antworten teils sehr kreativ ausfielen. So war Julis liebste Antwort auf die Frage „Was ist deine Lieblingsfarbe?“: „Deine Augenfarbe.“ Zudem hat das ProLi in den letzten Jahren wohl für einen neuen Modetrend in Passau gesorgt. Im Lauf der Zeit sind einige der Decken, die auf der Terrasse auslagen, von Gästen einfach mitgenommen worden. Warum, das fand das Team heraus, als sie am Campus einige Studenten mit den Decken als Schal um den Hals getragen entdeckten. Allgemein denkt Juli gerne an Geschichten im Zusammenhang mit ihren Gästen zurück. „Das ist auch irgendwie cool, dass da Leute auch wegen dir kommen, weil die dich mögen und dich gerne sehen“, sagt sie über die Stammgäste. 

„Das ProLi ist ein Wohlfühlort“, so lässt sich das Café mit angrenzendem Kino am besten zusammenfassen. Alles andere kann Juli nicht in einen Satz verpacken, weil es viel zu viel gibt, was das ProLi ausmacht. Über den Kaffee, der laut Juli der zweitbeste in Passau ist, denn „den besten hat leider immer noch das Kaffeewerk“, über die Kuchen und das besondere Frühstück bis hin zum Glas Wein abends auf der Terrasse mit Blick auf den Dom: „Man kann jederzeit zu uns kommen, wir sind immer da.“

Text: Tamina Friedl
Fotos: ProLi/ Juli und Andreas Vesper