Im Rausch der Farben: Van-Gogh-Ausstellung im Frankfurter Städel

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Lilian Köhler Ressortleiterin Musik & Kunst

Vincent van Gogh – einer der wohl bedeutendsten Künstler aller Zeiten. Sein Leben jedoch, war geprägt von Armut und Ausgrenzung. Die „Making Van Gogh“-Ausstellung im Städel-Museum in Frankfurt am Main erzählt die Etablierung van Goghs Kunst in Deutschland und die überfällige Anerkennung seiner Werke. 

Der Legende nach habe Vincent van Gogh zu Lebzeiten lediglich ein einziges Bild verkauft. Erst nach seinem Tod hat seine erstaunliche Karriere begonnen und er etablierte sich zu einem der entscheidenden Wegbereiter der modernen Malerei. Der Mythos van Gogh entfacht und inspiriert bis heute Künstler auf der ganzen Welt.

Insbesondere in Deutschland haben seine Werke, relativ schnell nach seinem Tod, eine außerordentliche Wertschätzung erfahren. Deutsche Galeristen, Sammler, Kritiker und Museumsdirektoren engagierten sich plötzlich für seine Kunst, wodurch er zu Beginn des 20. Jahrhunderts als einer der bedeutendsten Vorreiter der Moderne wahrgenommen wurde. Bereits vor 1914 befanden sich rund 150 seiner Werke in deutschen Sammlungen und der van-Gogh-Boom begann. Aufgrund dessen widmet sich das Städel Museum Frankfurt mit der Ausstellung Making van Gogh – Geschichte einer deutschen Liebe, einem der bekanntesten Künstler überhaupt und seiner besonderen Beziehung zu Deutschland.

Wie kam es, dass van Gogh gerade in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg eine so ungeheure Popularität erlangte?
Wer engagierte sich für sein Werk?
Wie reagierten deutsche Künstlerinnen und Künstler kurz nach der Jahrhundertwende auf ihn? 

Die Ausstellung setzt sich in drei großen Kapitel unter anderem mit diesen Fragen auseinander und versucht so, dem Mythos van Gogh ein kleines Stück näher zu kommen. Mit insgesamt 50 Werken ist die Ausstellung im Frankfurter Städel die bislang umfangreichste deutsche Ausstellung zu van Gogh und zählt für viele Kritiker zu den bedeutendsten Ausstellungen im Jahr 2019 sowie 2020.

Entstehung des Mythos um die Person van Gogh
Bekannt als Einzelgänger sowie weitgehender Autodidakt und getrieben von einer ungeheuren Schaffenskraft, ja fast Arbeitsbesessenheit, fiel es dem Künstler schwer Kontakt zu seinen Mitmenschen zu knüpfen. Seine Depressionen, Halluzinationen, Alpträume und die intensive Auseinandersetzung mit dem Tod hielten ihn jedoch nicht von seinem Tatendrang und seiner Schaffenskraft ab. Sind sie vielleicht sogar das Geheimnis seiner revolutionierenden Werke? Zur Bewältigung seiner inneren Spannungen begann van Gogh mit dem Zeichnen und es scheint, als würde er niemals damit aufhören.

Zu Lebzeiten hatte der große Unverstandene wenig Erfolg und konnte seine Werke nur selten in der Öffentlichkeit präsentieren. Doch das änderte sich abrupt nach seinem Tod 1890, als in Frankreich und in den Niederlanden erste Ausstellungen mit seinen Bildern organisiert wurden. In Deutschland waren seine Gemälde erstmals 1901 in Berlin zu sehen und die Anzahl seiner Ausstellungen stieg stetig. Bis zum Ersten Weltkrieg waren van Goghs Werke dann in fast 120 Ausstellungen deutschlandweit vertreten. Den Höhepunkt kennzeichnete die Kölner Sonderbund-Ausstellung im Jahre 1912 – eine Überblicksschau zur Kunst der Moderne – dort waren 25 Säle dem Künstler van Gogh gewidmet und verfrachteten ihn zum Pionier der modernen Malerei.

Van Goghs Schaffen wäre ohne die lebenslange Unterstützung seines jüngeren Bruders nicht möglich gewesen.
Theo van Gogh war im Pariser Kunsthandel tätig und ließ Vincent einen monatlichen Geldbetrag zukommen, wodurch er sich mit Malmaterialien eindecken konnte. Als Tauschgeschäft erhielt Theo den Großteil der Werke seines Bruders. Doch auch ihm, einem angesehenen Kunsthändler, gelang es nicht Vincent auf dem Markt zu etablieren. Nur sehr wenige Galerien waren bereit, seine Werke zu präsentieren. Doch gerade in Deutschland erlangte er frühe Popularität, was sich in der Vielzahl privater Sammler, die seine Werke bereits vor der Jahrhundertwende erwarben, widerspiegelte. Es handelte sich hier insbesonders um weltläufige und aufgeschlossene Persönlichkeiten, die der modernen Kunst in Deutschland zum Durchbruch verhelfen wollten. Der Titel der Ausstellung „eine deutsche Liebe“ verdeutlicht, dass kein Land – außer seinem Heimatland, den Niederlanden – so für den Außenseiter entflammt war.

Als Maler der südlichen Sonne in seinem „Gelben Haus“ ist er begeistert von der Leuchtkraft der Farbe.
Ohne die besondere Malweise des Niederländers ist die Entstehung der modernen Kunst kaum denkbar. Er lernte reinere Farben in intensiveren Kontrasten zu gebrauchen und bemühte sich um komplementäre Farbakkorde von Grund- und Mischfarben. Doch nicht nur der Farbenrausch zeichnet seine ungewöhnlichen Werke aus, denn unter der Sonne Arles fand er zu seinem gestalterischen Ausdruck, den man bis heute ohne nachdenken zu müssen mit seinen Werken verbindet.  In schneller, ekstatischer Weise trug er mit lebendigem Pinselduktus die leuchtenden Farben auf und schuf Bildräume, deren Tiefenraumwirkung nicht auf perspektivisch richtiger Formgebung, sondern hauptsächlich auf intensiven Farbkontrasten beruht. Die Akzentuierung der Gegenstände und Figuren sowie der Versuch, das Wesenhafte und Charakteristische der dargestellten Personen, aber auch Dinge herauszustellen führen zu einer suggestiven Raumbildung und teilweise zu expressiven gar zerrissenen, verzweifelten Landschaftsbildern. Sein Markenzeichen – das Motiv gegenüber des Malvorgangs zunehmend in den Hintergrund rücken zu lassen – entfaltete den größten Einfluss auf die nachfolgende Künstlergeneration in Deutschland. Bewegt von sozialkritischen Romanen beschloss er ein Maler der einfachen Leute zu werden, womit er sich perfekt in das Klischee des revolutionären Künstlers einfügt.

Van Goghiana: Des Malers Einfluss auf die deutsche Künstlerschaft
Mit der zunehmenden Präsentation seiner Werke in Ausstellungen, orientierten sich auch immer mehr Künstler an den Motiven sowie kontrastreichen Farben seiner Malerei. Für diese Generation bedeutete seine unbefangene Malweise Befreiung und den Aufbruch in eine neue Zeit. Doch während die einen durch die Imitation seines Stils den Weg zu ihrer persönlichen Technik finden konnten, konnten andere nie aus seinem Schatten treten.

Insbesondere für die Mitglieder der Künstlervereinigung „Brücke“ war die Kunst van Goghs eine Offenbarung. Er inspirierte Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner oder Erich Heckel Farben nicht mehr anzumischen, sondern sie direkt von der Tube auf die Leinwand zu bringen. Mit starken Kontrasten, dickem Pastos und mehreren Farbschichten erhält man einen direkten Zugang zu den Motiven der Gemälden.

„In dieser Zeit lag der Name van Gogh in der Luft, unbestimmt, schillernd, ohne daß wir, die wir an der Quelle der modernen Kunst lebten, ihn in festere Formen zu bannen vermochten.“ – Margarete Mauthner

Die Ausstellung
Die Städel Ausstellung erzählt von der Geschichte des Aufstiegs Vincent van Goghs Kunst und von seinen Unterstützern, mit deren Hilfe er sich zwar verspätet, aber letztendlich dennoch zu einem der Pioniere der Modernen Kunst entwickeln konnte. Die Angst vor der Moderne machte ihn zu einem Außenseiter, einem gesellschaftlich abgestempelten Wahnsinnigen. Seine Werke jedoch existieren bis an der Schwelle zur Ewigkeit.

Wer Lust auf Mehr bekommen hat und sich die leuchtenden Gemälde van Goghs in der ihm größten gewidmeten Ausstellung Deutschlands in natura ansehen möchte, für den sind die Tore des Städel Museums noch bis zum 16. Februar 2020 Dienstags, Mittwochs, Samstags und Sonntags jeweils von 10:00 bis 19:00 Uhr und Donnerstags und Freitags jeweils von 10:00 bis 21:00 Uhr geöffnet. 

Wer allerdings nicht mal eben schnell nach Frankfurt fahren kann, um sich die Ausstellung mit eigenen Augen anzusehen, sich aber dennoch sehr für van Goghs Kunst und insbesondere seine Lebensgeschichte interessiert, der sollte sich unbedingt den Film „Van Gogh – an der Schwelle zur Ewigkeit“ von dem Oscar-nominierten Regisseur Julian Schnabel sowie den im van-Gogh-Stil gemalten Animationsfilm „Loving Vincent“ ansehen. Beide Filme erzählen auf sehr unterschiedliche Art und Weise, jedoch beide in hervorragender künstlerischer Inszenierung die berührende Geschichte des Außenseiters van Gogh.

Die Filmbiografie „Van Gogh – an der Schwelle zur Ewigkeit“ nach dem gleichnamigen Gemälde aus dem Jahr 1890, feierte 2018 im Rahmen der Filmfestspiele in Venedig ihre Premiere. Hauptdarsteller Willem Dafoe wurde 2019 für seine Rolle als Vincent als bester Hauptdarsteller nominiert. Der Film thematisiert insbesondere van Goghs Inspirationen wie das Sonnenlicht oder die zitronengelbe Farbe und überzeugt dabei mit atemberaubenden filmischen Aufnahmen der südfranzösischen Landschaften. Gleichzeitig verdeutlicht der Film die Abgründe seines Lebens, indem er seine gebrechliche Seite, seine Wahnvorstellungen sowie sein „Arbeitsfieber“ aufzeigt. Ein Genie, das dem Wahnsinn sehr nahe stand und für den die Gesellschaft dieser Zeit noch nicht bereit war.

„Loving Vincent“ ist der erste Film, der vollständig aus Ölgemälden erschaffen wurde und dabei van Goghs berühmte Bilderwelten auf der Leinwand zum Leben erwecken lässt. Dieser Film behandelt hierbei eher die tragischen und rätselhaften Umstände seines Todes und das umstrittene Verhältnis zu seinem Arzt, bei dem er seine letzten Wochen verbrachte.