Fair Trade: Der Weltladen

In der Kleinen Klingergasse 1 in Passau bezaubert der Weltladen mit vielen kleinen und großen Besonderheiten. Blank sprach mit Frau Hinterheller, die seit nunmehr 12 Jahren im Vorstand des Ladens das Prinzip „Fair Trade“ mit Leib und Seele vertritt. – von Sina Wenzel

Frau Hinterheller, was steckt denn Ihrer Ansicht nach alles hinter „Fair Trade“?

Das Grundprinzip ist die Augenhöhe. Den Produzenten auf Augenhöhe zu begegnen – auch in den Ländern, in denen das Verdienstniveau sehr niedrig ist – bedeutet, dass ich das bezahle, was die Ware, die ich bekomme, tatsächlich wert ist. Das heißt nicht, dass ich mich als KonsumentIn auf das Niveau begebe, wo ich sozusagen in der Rolle des reichen Nordländers die armen Südländer mit Spenden unterstütze. Wenn wir Spenden geben, dann geben wir Almosen. Das können wir kurzfristig machen, zum Beispiel bei Naturkatastrophen. Aber im Grunde genommen müssen wir einander auf Augenhöhe begegnen. Das heißt im Umkehrschluss natürlich auch, dass ich keine utopischen Preise bezahle, um damit eine bestimmte Produzentengruppe zu bevorzugen.

Was würden Sie sagen, gehört zu den häufigsten Fehlannahmen über das System des Fairen Handels? Denken Sie, dass diese in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch vorherrschen?

Die erste Fehlannahme ist, dass eine fair gehandelte Ware ganz einfach geregelt einen Aufpreis bekommt, so wie Wohltätigkeitsbriefmarken. Das ist eine sehr fest sitzende Annahme. Und die zweite Fehlannahme ist, dass die Ängstlichkeit besteht, dass nicht alles ganz ehrlich ist. Genau gesagt ist man sich nicht sicher, ob hinter Fair Trade doch noch ein Großkonzern steckt. Das sind zwei Fehlannahmen, die natürlich auch hin und wieder durch Reportagen und Warentestberichte gestärkt werden. Diese betreffen jedoch meist nur einzelne Produkte oder Vorkommnisse.

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Viele Menschen scheinen immer noch sehr zögerlich zu sein, sich fair gehandelten Produkten zuzuwenden. Liegt es an eventuellen Nachteilen des Systems Fairer Handel? Hat es überhaupt Schwachstellen?

Wenn es Nachteile gibt, dann werden sie sehr kontrovers diskutiert. Auch, wenn sie nur auf Vorurteilen beruhen. Die ultralinke Seite sagt, der Faire Handel bringe nur den Kapitalismus zu den Kleinbauern. Es sei alles nur Augenwischerei. Ich denke, dass die Unterstützung richtig ist. Dass viele Menschen sich zögerlich zuwenden, liegt aber eher in der Annahme, fair gehandelte Waren seien alle viel teurer. Dies bestätigt sich allerdings nicht grundsätzlich, aber es ist in den Köpfen: Sachen, die fair sind, sind teuer.
Ein Punkt, der sich hingegen bestätigt, ist, dass nicht alles verfügbar ist, wie der Kunde/die Kundin es sich wünscht. Nehmen wir die Weihnachtszeit. Nehmen wir Nikoläuse. Es gibt ein bestimmtes Kontingent an Nikoläusen und wenn diese ausverkauft sind, ist keiner mehr da. Es kann mitunter Mitte November schon passieren. Wir sind es jedoch gewohnt, im Überfluss hergestellte Nikoläuse zu bekommen. Wenn die Nachfrage abklingt, stampft man sie halt ein. Das gibt es im Fairen Handel nicht. Es ist nicht alles zu jeder Zeit verfügbar.
Wenn man sich die Projekte einzeln anschaut, kann es natürlich sein, dass das eine oder andere Schwachstellen hat. Ich habe mal mit einem Lieferant gesprochen, der in Peru tätig ist und der gesagt hat, dass man aufpassen muss, Fair-Trade-Produzenten nicht über den tatsächlichen Wert ihrer Waren hinaus zu bezahlen. So könnte in einer Region wie bei uns, eine Art sozialer Neid entstehen. Es muss mit Bedacht gehandelt werden.

Eine Frage, die uns KonsumentInnen direkt betrifft und, wie ich denke, sehr wichtig ist: Fairer Handel im Weltladen und Fairer Handel im Supermarkt. Muss da unterschieden werden oder ist Fair Trade überall gleich Fair Trade?

Fairer Handel im Weltladen und Fairer Handel im Supermarkt müssen unterschieden werden – und zwar sehr deutlich. Der Weltladen befasst sich nur mit Importeuren, deren einzige Geschäftsaufgabe Fairer Handel ist. Mit GEPA, El Puente und dwp Ravensburg seien hier nur einige bekannte Namen genannt, dazu eine Vielzahl kleiner, sehr engagierter Importeure. Die Preisspannen werden niedriger gehalten, dazu kommt, dass in den Weltläden ehrenamtlich gearbeitet wird. Im Supermarkt hat man große Firmen, die aus einer Vielzahl ihrer Produkte einige wenige auswählen und diese „fair“ produzieren. Unsere Importeure machen keinen konventionellen Handel, sondern sind Firmen, die einzig und allein mit fairen Partnern zu tun haben. Mit keinem anderen. Das ist der Unterschied und der ist nicht in den Köpfen. Jede große Kaffeemarke hat mittlerweile einen Anteil fair gehandelte Sorten. Das können sie locker unterbringen, weil der Gesamtumsatz groß genug ist.

Sie haben zuvor erwähnt, dass einzelne fair gehandelte Produkte durch Warentest abgewertet werden und somit zu einem eventuell schlechten Image von Fair Trade beitragen. Sie haben diese Aussage also auf Supermärkte bezogen?

Ich gebe hier ein Beispiel: Orangensaft ist bei uns im Weltladen aus Brasilien. Im Jahr 2014 hat es einen Test über fairen Orangensaft gegeben. Einige Säfte wurden drastisch abgewertet, weil die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt wurden. Stiftung Warentest wird viel gelesen. Natürlich hatten wir prompt die ersten Nachfragen im Weltladen. Der Unterschied war, dass Säfte aus dem Supermarkt sowie dem Discounter getestet wurden und nicht der vom Weltladen. Da gibt es im Supermarkt einen fair gehandelten Orangensaft und bei diesem hat man festgestellt, dass die Produktionskette sich nicht hat zurückverfolgen lassen.

Wissen Sie, woran das lag?

Es ist so: Es gibt eine große Firma, die ganz viel Orangensaft macht. Eine Abfüllung soll „fair“ sein. Das heißt, man kauft eine bestimmte Menge an fair gehandeltem Konzentrat, mischt es unter die normalen Konzentrate und verkauft die berechnete Anzahl an Kartons, die der Menge an fair gehandeltem Konzentrat entsprechen dürfen, als „fair“. Das nennt man Mengenausgleich. Stiftung Warentest konnte das natürlich nicht exakt zurückverfolgen, darum die negative Bewertung. Aber der Weltladen hatte sofort Nachfragen. Unser Orangensaft ist nur von einer einzigen Kooperative, die Konzentrat selbst vermarktet. Das ist der Punkt. Die Leute müssten das unterscheiden können. Und das wird noch ein Thema werden.
Aus diesem Grund bin ich auch so grantig auf die Siegel! TransFair vergibt zum Beispiel ein neues Siegel, das genauso aussieht wie das normale TransFair-Siegel, nur blasser. Dieses Siegel kriegt jedes Produkt, bei dem nur eine Zutat ohne Mengenangabe fair ist. Das ist meiner Meinung nach ein No-Go. Auch deswegen wird der Faire Handel kritisch gesehen. Die gute Absicht, die dahintersteckt, ist die: Auch ein Hersteller, der mit fair nichts am Hut hat, soll dazu gebracht werden, gewisse Mengen fair gehandelter Zutaten einzukaufen. Das ist eigentlich ein sehr edler Wunsch, leider verwässert es die Arbeit der Leute, die wirklich mit Herzblut dahinterstehen und die ausschließlich fair handeln. Weil bei uns schließlich nicht nur die Siegel wichtig sind, sondern auch die Projektunterstützung oder die Vorfinanzierung. Dass Straßen gebaut werden. Dass die Leute Häuser oder eine Krankenversicherung kriegen.

Ich würde Ihnen nun gerne ein paar Fragen zu ihrer Herzensangelegenheit, dem Passauer Weltladen stellen. Ihr Sortiment spiegelt die Kulturen der ganzen Welt wieder. Doch gibt es Orte bzw. lokale Lieferanten, von denen Sie besonders gerne Waren beziehen? Oder treffen Sie Ihre Wahl zufällig?

Es gibt keine bestimmten Orte, die wir bevorzugen. Was wir aber bevorzugen, sind kleinere Projekte. Das ist ein wichtiges Kriterium und natürlich muss es auch in unser Gesamtsortiment passen. Wir versuchen, uns auch daran zu orientieren, was die Kunden/Kundinnen nachfragen. Aber soweit es möglich ist, schauen wir auf die einzelnen Projekte. Wir versuchen auch immer, möglichst breit zu streuen, damit jeder unterstützt wird. Die Großhändler selbst muss man natürlich auch gezielt unterstützen. Contigo zum Beispiel – ein großer Name im Fairen Handel – hat wunderschöne Sachen, die ich zu besonderen Anlässen, wie zum Beispiel Weihnachten, gerne bestelle. Aber eben nicht regelmäßig, denn ich denke, dass Contigo nicht mehr so viel Unterstützung braucht, wie ein kleiner Importeur mit wenigen Produkten.

Als Teil des Vorstandes sind Sie die Augen und Ohren des Weltladens. Schlägt sich Ihrem Eindruck nach die Vielfalt Ihres Sortiments auch auf der Kundschaft nieder oder ist Fairer Handel tatsächlich nur für eine bestimmte Zielgruppe interessant?

Also ich spreche jetzt für den Weltladen Passau und denke, dass wir ein sehr bunt gemischtes Publikum haben. Ältere Herrschaften sowie auch sehr viele junge Leute, darunter viele Studenten und Studentinnen natürlich. Also quer durch alle Altersgruppen. Das kommt vor allem daher, dass wir zum Beispiel Schulklassen einladen. Kinder lassen sich sehr begeistern. Und es gibt eine Mitarbeiterin, eine ehemalige Lehrerin, die diese Führungen mit den Kindern macht.

Der Weltladen Passau ist kein Mitglied des Weltladen Dachverbandes e.V. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Der Vorteil des Dachverbandes bestünde für uns nur darin, günstiger an Bildungsmaterialien zu kommen. Alle Informationen außer Bildungsmaterialien sind im Internet frei zugänglich. Der Dachverband war deshalb vor allem in der Zeit vor dem Internet interessant. Es ist auch so, dass der Vorstand aus drei gleichberechtigten Mitgliedern besteht, die sich nicht gerne etwas von oben vorschreiben lassen wollen. Der Dachverband hat zum Beispiel einen vorgefertigten, verbindlichen Katalog von Lieferanten. Wir aber kaufen gerne bei Lieferanten ein, die wir persönlich kennen und die vielleicht nicht in dieser Liste stehen. Und wir dürfen das Dachverband-Aushängeschild nicht führen! Der Dachverband möchte das offizielle Weltladen-Logo in allen Läden in ganz Deutschland wegen der Wiedererkennung haben. Wir sind der Meinung, das muss nicht sein, weil der Kunde/die Kundin Verkaufsläden und -ketten zu Genüge hat und bei den Weltläden besonders die Individualität geschätzt wird. Wir haben dafür unser Logo damals selber gemacht! (lacht)

Gibt es fair gehandelte Produkte, die Sie uns StudentInnen besonders ans Herz legen würden?

Meine Erfahrung ist, dass StudentInnen kommen, um bestimmte Lebensmittel zu kaufen. Aber es gibt immer mal wieder Besonderheiten im Sortiment, wie momentan unsere Laptop-, Smartphone- und Tablet-Hüllen, wo ich mir denke, das kann besonders für einen jungen Menschen interessant sein. Das würde ich auch empfehlen.

Sind Sie selber eine „faire Käuferin“?

Ich denke schon. Das heißt jetzt nicht, dass ich mir nicht ab und zu ein T-Shirt von H&M kaufe. Ich weiß, dass man einen gesamten Familienhaushalt nicht fair gehandelt einkaufen kann. Wichtig ist einfach, dass man sich den Konsum bewusst macht. Jemanden restriktiv für den Weltladen zu missionieren finde ich auch nicht in Ordnung. Beim Thema Kaffee bin ich aber auf alle Fälle eine Faire. Ansonsten würde ich sagen, dass bewusste KäuferInnen erstmal schauen, ob das Produkt regional ist und dann natürlich, dass sie bestimmte Waren im Weltladen fair gehandelt einkaufen.

Vielen Dank für das Interview!

 

Bilder: Sina Wenzel