„Die Wahrheit und Liebe muss über die Lüge und Hass siegen“, war einer der wichtigsten und zentralsten Sprüche der Samtenen Revolution im Jahre 1989.
Die Samtene Revolution bezeichnet die landesweiten Proteste gegen das sozialistische Regime in der ehemaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik. Das Regime wurde unter dem wachsenden Druck und den Protestwellen aus der Zivilbevölkerung schließlich gestürzt.
Daran wurde auch 35 Jahre nach diesem Ereignis in der Passauer Zentralbibliothek am 18.11.2024 erinnert. Die tschechische Hochschulgruppe „Communitas Bohemica“ veranstaltete hierzu einen abendlichen Workshop mit Zeitzeugenaussagen mit anschließender Diskussion.
Das kommunistische Regime in der damaligen Tschechoslowakei hat 1948, 3 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, begonnen.
Die kommunistische Partei übernahm damals die Macht und obwohl das Land offiziell nicht zur Sowjetunion gehörte, führten die damaligen Machthaber eine enge Beziehung zu Moskau. Die Medien wurden gleichgeschaltet, veröffentlicht werden konnte nur mit staatlicher Zensur, Menschenrechte nicht garantiert und Oppositionelle durch die Polizei verfolgt.
Eine wichtige Persönlichkeit, die sich gegen die Machtergreifung wehren wollte, war Milada Horáková, eine tschechische Politikerin, Anwältin und Widerstandskämpferin. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sie sich für den Aufbau einer freien und demokratischen Gesellschaft ein und stand gegen die wachsende sowjetische Einflussnahme. Im Jahr 1949 wurde Horáková von den kommunistischen Behörden verhaftet und in einem politisch motivierten Prozess zum Tod verurteilt.
Der Prager Frühling war schließlich eine Reformbewegung im Jahr 1968, die versuchte, das politische System des sozialistischen Landes zu liberalisieren.
Unter der Führung von Alexander Dubček, dem neuen ersten Sekretär der Kommunistischen Partei, sollte der Sozialismus „mit menschlichem Antlitz“ versehen werden. Er und seine Unterstützer:innen setzten eine Reihe von Reformen um, darunter die Lockerung der Zensur, die Schaffung einer pluralistischeren Gesellschaft und die Förderung politischer und wirtschaftlicher Freiheiten.
Das Ziel war, die stalinistische Kontrolle zu lockern und mehr Freiheit und Demokratie innerhalb des sozialistischen Systems zu ermöglichen.
Das kam in Moskau aber gar nicht gut an.
Im August 1968 begann dann als Antwort auf den Liberalisierungsprozess die gewaltsame Invasion durch sowjetische und Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei. Die Invasion beendete die Reformbewegung gewaltsam. Das Land trat in eine Phase der „Normalisation“ ein, in der das sozialistische Regime wieder die Kontrolle übernahm. Diese Phase war gekennzeichnet durch eine Rückkehr zu stalinistischen Praktiken, eine verstärkte politische Repression und die Einschränkung von Freiheiten. Die Gesellschaft wurde ideologisch gleichgeschaltet, kritische Intellektuelle, Künstler:innen und Studierende wurden verfolgt, und oppositionelle Bewegungen wurden unterdrückt.
Václav Havel war damals Dissident und eine wichtige Oppositionsfigur. Er und weitere Dissident:innen gründeten die „Charta 77“ im Jahr 1977. Das Hauptziel der Charta 77 war es, auf die Verletzungen der Menschenrechte aufmerksam zu machen, insbesondere auf die Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Verfolgung politischer Gegner und die Unterdrückung der kulturellen und politischen Freiheiten. Sie verlangte die Einhaltung der Rechte, die im Rahmen internationaler Abkommen wie der Helsinki-Schlussakte garantiert wurden. Die Charta war ein direktes Statement gegen die staatliche Zensur und die Willkür der kommunistischen Partei. In der damaligen Zeit der „Normalisation“ war das besonders mutig und Havel wurde für seine Taten auch mehrmals inhaftiert.
Die Charta 77 legte den Grundstein für die Samtene Revolution 1989, die zum Sturz des kommunistischen Regimes und zur Demokratisierung des Landes führte. Bei den Protesten und der anschließenden Revolution im Jahre 1989 war es bemerkenswert, dass abgesehen von Gewalt aus den Reihen der Sicherheitskräfte keine weitere Gewalt zum Umsturz und Umdenken im Land führte. Auf vielen Bannern aus dieser Zeit stehen Worte wie „Wir möchten keine Gewalt“ und „wir haben leere Hände„, wodurch nochmal unterstrichen wurde, dass keine Waffen und keine Gewalt von der Seite der Demonstrierenden angewendet worden ist. Vielmehr sieht man auch Bilder aus der Zeit, in denen Kerzen auf den Boden vor die Sicherheitskräfte gelegt wurden und Demonstrierende auch Blumen überreichten.
Der 17. November ist Jahrestag und zugleich Nationalfeiertag ist in der Tschechischen und Slowakischen Republik.
Er trägt den Namen „Tag des Kampfes für Freiheit und die Demokratie“. Er erinnert an all die mutigen Menschen, die sich gegen das sozialistische Regime gewehrt und teilweise sogar mit dem Tod für die Wahrheit bezahlt haben. Er erinnert daran, wie wichtig eine unabhängige und pluralistische Medienlandschaft ist. Wie wichtig es ist, dass Menschenrechte garantiert sind und zeigt aber auch, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Vielmehr muss man für die Demokratie einstehen. Und man muss für die Demokratie und die Freiheit kämpfen.
Und er erinnert schließlich auch daran, wie die Liebe und Wahrheit über die Lüge und Hass gesiegt hat.
Fotos: Johanna Pesendorfer