Tintenherz, Tintenblut, Tintentod – Bücher die den Leser ins Unbekannte ziehen

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Nimué Westner Chefredakteurin & Ressortleiterin Kultur

Jeder leidenschaftliche Leser hegt zuweilen den Traum, in seinen Lieblingsgeschichten zu verschwinden. In packenden Abenteuern und stets in der Heldenrolle mit der Macht, den Bösen zu besiegen. Doch wie aufregend ist es wirklich, plötzlich in der Geschichte eines Buches zu verschwinden, in der es nicht nur Feen, Einhörner und andere Märchenwesen gibt, sondern auch etwas so gefährliches wie „den Schatten“? Dies und mehr wird in der Trilogie von Cornelia Funke behandelt, bestehend aus den Büchern Tintenherz, Tintenblut und Tintentod. Auch wenn diese Buchreihe bereits etwas älter ist, wird die nun wieder aktuell, da sie nun nach einer längeren Pause um einen weiteren Teil ergänzt wird.

Tintenherz

„Eine Ahnung, klebrig von Angst, machte sich in ihrem Herzen breit: dass mit diesem Fremden, dessen Name so seltsam und doch vertraut klang, etwas Bedrohliches in ihr Leben geschlüpft war.“ Mit diesen Worten beschreibt Cornelia Funke die Gefühle der Protagonistin Meggie bezüglich des kommenden Abenteuers. Tintenherz ist hierbei nicht nur der Titel des ersten Buches einer Trilogie, sondern spielt auch für die Figuren innerhalb des Buches selbst eine große Rolle. Denn hier verweist der Titel des Exemplars, welches man als Leser in den Händen hält, auf ein Buch und eine komplette Welt innerhalb der Handlung. Im Laufe der Geschichte wird klar, dass es nicht nur die eigene Realität gibt, sondern auch jene, die in Büchern beschrieben werden. Somit sind alle berühmten Geschichten, wie Alice im Wunderland oder Tausendundeine Nacht wahr, genau wie unbekanntere Werke und Kinderbücher. Tintenherz  erzählt die Geschichte von der 12-jährigen Meggie und ihrem Vater Mo/ Mortimer Folchart, dem „Bücherarzt“. Ihr wurde die Liebe zur Literatur quasi in die Wiege gelegt, jedoch gibt es in der Familie Gabe, von welcher sie bisher nichts ahnte. Mo verfügt über die Macht, geschriebene Worte wahr werden zu lassen. Er kann Figuren und Gegenstände aus Büchern herauslesen, allerdings geht für jedes Lebewesen, das herauskommt, auch jemand aus der Realität in das Buch hinein. Zusammen mit ihrer schrulligen Tante Elinor stürzen sich Meggie und Mo somit ins Abenteuer und in eine komplett neue Welt, in der sie sich auch noch auf die Suche nach Meggies Muter, Resa begeben.

Auf dieser Reise voller fantastischer Wesen und fürchterlicher Gefahren, können sich vor allem leidenschaftliche Leseratten und Bücherwürmer in das Geschehen einfühlen. Mit Meggie und Elinor sind zwei selbstsichere, sture Frauen vertreten, welche es schaffen immer weiter über sich hinaus zu wachsen und ihr eigenes Potential stets unterschätzen. Doch während man einige Figuren als eindeutig gut und eindeutig böse einordnen kann, gibt es auch viele Grauzonen. Das zeigt vor allem der Gaukler Staubfinger, welcher oft unmoralisches Handeln mit moralischen Beweggründen und auch einem schlechten Gewissen verbindet. Er weiß oft genau, dass das, was er tut, falsch ist und versucht seine Handlungen wieder gut zu machen. Somit sind die Figuren mit Charaktereigenschaften ausgestattet, die sich in der Realität auch so widerspiegeln. Nicht nur Mut und Heldentum werden verdeutlicht, sondern auch Selbstsucht und Angst, die einen lähmen und zu Feigheit führen kann. Jeder kann aus den charakterlichen Entwicklungen der Figuren etwas lernen, denn Tintenherz kann man nicht einer genauen Zielgruppe zuordnen. Sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche können sich von dieser Geschichte verzaubern lassen und auch der ein oder andere ansonsten lesefaule Typ wird Gefallen daran finden in diese Welt einzutauchen. Durch den Schreibstil ist der Roman nicht nur packend, sondern auch leicht zu verstehen. Tintenherz eignet sich gut, um in das Fantasy-Genre einzutauchen, da sich einem eine komplett neue Welt erschließt, die zudem gut erklärt wird, da sie auch für die Figuren innerhalb des Buches neu ist.

Tintenblut

Auch im zweiten Teil der Reihe lernt der Leser spannende charakterstarke Figuren kennen, die die bereits Bekannten ergänzen. Der schwarze Prinz und der sogenannte Eichelhäher gewinnen an Bedeutung und durch die Intrigen des Vorlesers Orpheus verstrickt sich die Geschichte immer weiter. Bemerkenswert ist vor allem die starken charakterlichen Entwicklungen, die die Protagonisten vollziehen und spannende Wendungen mit sich bringen. Je tiefer man in die Handlung der Reihe eindringt, desto tiefer werden auch die Themen die eine Rolle spielen. Somit haben die Figuren nicht nur mit alltäglichen Problemen, Liebesdramen und Vertrauensbrüchen zu kämpfen, sondern ihre ganze Existenz steht auf dem Spiel, während es schwer fällt sich zu entscheiden, welche Welt die bessere ist. Somit trägt der Konflikt zwischen dem Heimweh nach der Realität und der Liebe zu der fantastischen Welt aus Tintenherz dazu bei, dass die Stimmung zwischen den Charakteren ständig umschlägt und sich neue Probleme und Konflikte bilden. Mit jedem Satz wird man immer weiter in die Geschichte hineingezogen, da eben nicht nur der oberflächliche und klischeebehaftete Kampf von Gut und Böse eine Rolle spielt. Wie Meggie die Kindheit hinter sich lässt,  entwickelt sich die Handlung immer weiter von einem Kinderroman weg. Neben dem romantischen Dilemma sind in Tintenblut herbe Verluste und schwere Entscheidungen an der Tagesordnung. Meggie wird damit auch die Aufgabe zuteil, schnell erwachsen zu werden und in der Lage zu sein, für sich selbst zu sorgen. Tintenblut schafft es, den Leser in einen Bann zu ziehen, sodass man gerne die hohe Buchzahl in Kauf nimmt um möglichst viel über das Geschehen zu erfahren. Kaum ist ein Problem gelöst, tritt ein neues an seine Stelle und man fiebert stets mit, ob Meggie und ihre Eltern endlich Frieden finden können und wie es mit Staubfinger und den anderen Figuren aus Tintenherz weitergeht. Doch die Geschichte ist nach Tintenblut  immer noch nicht vorbei.

Tintentod

Ausdauernde Leser wagen sich auch an den dritten Teil namens Tintentod. Wie der Titel schon sagt, wird die Handlung zunehmend düster und die Themen immer ernster. Allerdings lohnt es sich, standhaft zu bleiben, alleine aus Neugier wie es weitergeht und vor allem ob es ein gutes Ende nehmen wird. Doch der Tod bleibt fester Bestandteil der Handlung und bekommt sogar ein Gesicht in Form der “weißen Frauen”. Tintentod spielt großteils in der Tintenwelt, die Meggie und ihre Eltern verschluckt hat und Mo hat damit zu kämpfen, der Heldenrolle, die ihm zugeschrieben wurde, zu erfüllen. Neben dem Kampf gegen alles Böse dieser Welt müssen die Figuren zu drastischen Mitteln greifen, um dem Tod zu entgehen, aber auch die Unsterblichkeit zu bekämpfen. Dazu sind viele Opfer nötig und der Tod fordert stets seinen Preis. Nebenbei muss auch noch gegen Intrigen aus den eigenen Reihen angekämpft werden. Ob die Geschichte allerdings ein gutes Ende nehmen wird, sollte jeder selbst nachlesen. Bei diesem großflächig abgedeckten Themenfeld ist für jeden das Richtige dabei, sodass nicht nur Mo und Meggie, sondern auch Cornelia Funke,  die Gabe zu haben scheinen, jemanden in ein Buch hineinzuziehen.

Nun ist das Abenteuer von Meggie, Resa, Mo, Staubfinger und den Anderen anscheinend doch noch nicht vorbei. Die Leserschaft darf sich an einem weiteren Teil der Geschichte erfreuen, wie Cornelia Funke vor kurzem preisgegeben hat. Es folgt ein neues Buch, welches die Geschichte fortführt und von nun an nichtmehr nur die Macht der Wörter behandelt, sondern auch die Macht der Bilder. „Die Farbe der Rache“ soll sich dabei unter Anderem um die Rache von Orpheus drehen, mehr ist allerdings noch nicht bekannt. Nachdem es sich jedoch bei Tintenherz, Tintenblut und Tintentod um mitreißende Bücher handelt, bei denen man in einer bzw. sogar in mehreren Welten verschwinden kann, kann man als Leser nur Gutes erwarten und gespannt auf den neuen Teil warten. Damit hat man jetzt die perfekte Gelegenheit, sich die Trilogie näher zu führen oder sie erneut zu lesen, auch wenn man sie bereits kennt.

Zusammenfassend ist diese Noch-Trilogie eine gute Möglichkeit, der Realität für eine Weile zu entfliehen und in eine Welt einzutauchen, wie man sie sich als leidenschaftlicher Leser selbst gerne wünscht. Auch in jetzigen Zeiten, in denen es sich großteils nur um das Corona-Virus dreht und man durch die Ausgangsbeschränkung über mehr als genügend Freizeit verfügt, kann man getrost auf die Tintenherz-Reihe zurückgreifen. Nicht nur dass die Handlung einen fesselt, man investiert auch einiges an Zeit beim Lesen der Bücher. Da kann man schonmal hoffen, dass auch Cornelia Funke die freie Zeit nutzt und die Wartezeit auf „Die Farbe der Rache” nicht allzu lange ausfällt.