Online-Semester aus verschiedenen Perspektiven – 3 Studierende erzählen

Seit April ist das Universitätsleben aller Studierenden auf den Kopf gestellt. Die Vorlesung findet man nun auf YouTube anstatt im Audimax und die Mitstudierenden trifft man in Zoom und nicht mehr in der Mensa. Nachdem ihr erstes Online-Semester hinter ihnen liegt, ziehen drei Studierende aus unterschiedlichen Studiengängen ihr Fazit und geben hilfreiche Tipps für alle, die nun ins nächste Online-Semester starten.

Niko studiert Architektur im 5. Semester an der OTH Regensburg, ihm fehlt das Unileben, die Regensburger Dult und das Fitness-Studio im Lockdown zum Ausgleich. Sophia studiert im 4. Semester Medizin an der FAU Erlangen-Nürnberg und vermisst den Hochschulsport und ihr Leichtathletik-Training im Verein. Ben studiert Englisch, Geschichte und Kunst im Lehramt für Realschulen im 5. Semester an der Universität Passau. Ihm fehlen die Passauer Bootsparties im Sommer oder auch Konzerte mit Freunden zu besuchen.

Sophia (21) studiert Medizin in Erlangen

 

Nachdem wir jetzt schon ein bisschen über eure von Corona durchkreuzten Pläne geredet haben, wollen wir wissen, was ihr vielleicht auch aus der aktuellen Situation lernen konntet?

Sophia: Ich habe im letzten Online-Semester viele neue Dinge ausprobiert, da man etwas mehr Zeit hatte und sowieso dauernd zuhause war. Ich habe aufwändiger gekocht, auch mit meiner WG zusammen, da wir mittags nicht am Campus verstreut, sondern alle in der gemeinsamen Küche waren.

Ben: Ich habe gelernt meinen Tag besser zu strukturieren. Da ich viele Vorlesungen als Video anschauen kann, kann ich mir diese selbst einteilen und kann so spontan auch öfter für Schichten bei der Arbeit einspringen.

 

Was hat sich durch das Online-Semester für euch geändert?

Sophia: Selbst in Medizin ist nun fast alles digital. Die einzigen Präsenzveranstaltungen, wie beispielsweise das Biochemie-Praktikum im Labor finden nun unter strikten Hygienevorschriften statt. Wir sind kleinere Gruppen als normalerweise und haben im Labor weniger Zeit als sonst. Inzwischen gibt es sogar eine App, mit der wir per QR-Code im Labor ein- und auschecken müssen.

Niko: Bei uns fanden sämtliche Vorlesungen und Seminare online statt. Manchmal live, manchmal als Aufzeichnung. Inzwischen finden alle Veranstaltungen aber live statt, wodurch man zumindest wieder ein bisschen mehr Struktur in seinen Alltag bekommt.

 

Niko (21) studiert Architektur in Regensburg

Was war für euch die größte Herausforderung bisher?

Niko: Zeitmanagement. Definitiv. Gruppen- und Partnerarbeiten sind online natürlich viel aufwändiger und alles dauert somit etwas länger als sonst. Auch wenn man zum Beispiel eine Vorlesung als Video anschaut, kann man natürlich nicht schnell mal eine Frage stellen und muss erstmal darauf warten, bis die Dozierenden auf eine E-Mail reagieren.

Sophia: Dazu kann ich hinzufügen, dass ich auch viel länger für die Vorlesungen brauche. Der Stopp-Button ist einerseits gut, weil man mal eine Pause machen kann oder das wiederholen kann, was man nicht richtig verstanden hat. Andererseits dauert die Vorlesung dadurch umso länger.

 

Welche negativen Aspekte hat das Online-Semester?

Niko: Das Architekturstudium ist auch in Präsenz bereits äußerst anspruchsvoll. Durch das Online-Semester wurde das Ganze noch stressiger und kann einen psychisch stark belasten. Man verbringt den ganzen Tag in seiner Wohnung, das Bett steht neben dem Schreibtisch, Studium und Freizeit verschwimmt immer mehr. Gerade in Kursen in welchen man in Partnerarbeit Pläne zeichnen muss wird es schwierig. Jetzt arbeitet jeder allein, wir schicken die Pläne hin und her, das ganze ist also ein viel größerer zeitlicher Aufwand. Häufig sitze ich auch an den Wochenenden den ganzen Tag vorm Laptop. Meinen Mitstudierenden und mir fehlt es immer schwerer einen Ausgleich zu finden.

Ben: Durch das Online-Semester wurden viele meiner Klausuren durch häusliche Leistungsnachweise ersetzt. Das heißt anstelle von 2 Hausarbeiten schreibe ich inzwischen 5 pro Semester. Das kann ziemlich stressig werden, vor allem weil der Abgabetermin aller Arbeiten oft in der gleichen Woche liegt.

 

Ben (21) studiert Lehramt in Passau

Gibt es auch positive Aspekte im Online-Semester für euch?

Niko: Während es in der Vorlesung schwierig ist von weiter hinten einen guten Blick auf den Plan zu haben, hat nun jeder auf dem Laptop dieselbe Perspektive darauf. Ein Pluspunkt gerade im Online-Semester. Außerdem werden keine Modelle oder ausgedruckte Pläne mehr verlangt. Stattdessen können wir alles digital abgeben, wodurch Material- und Druckkosten komplett wegfallen.

Ben: Die Flexibilität ist super. Ich kann mir meinen Tag selbst einteilen, auch mal spontan eine Schicht bei der Arbeit übernehmen oder für längere Zeit bei meiner Familie bleiben, da ich dann von dort aus arbeiten kann und nicht nach einem Wochenende schon wieder abreisen muss.

 

Wie liefen eure Prüfungen ab, was war anders?

Sophia: Wir waren letztes Semester teilweise in über 10 verschiedenen Hörsälen in ganz Erlangen verteilt um eine Klausur zu schreiben. Dort mussten wir die ganze Zeit über den Mund-und-Nasen-Schutz tragen und hatten ein striktes Hygiene-Konzept zu befolgen.

 

Was sollten die Universitäten/Fachhochschulen eurer Meinung nach verbessern?

Niko: Gerade bei kreativen beziehungsweise praktisch-orientierten Studiengängen wie meinem braucht es neben Stift und Papier auch diverse Programme. Da wir jetzt alle von unseren eigenen PCs aus arbeiten, müssen wir über den Remotezugriff auf diese zugreifen. Das ist natürlich wieder umständlicher, kostet Zeit und Nerven und funktioniert nicht immer einwandfrei. Viele bezahlen die Programme dann selbst, was natürlich so nicht vorgesehen war. Besser wäre es, die Studierenden würden während dieser Zeit zum Beispiel eine Lizenz für den privaten Rechner bekommen.

Ben: Unsere Uniplattform ist gerade am Anfang immer wieder zusammengebrochen, weil sehr viele Studierende gleichzeitig darauf zugreifen wollten. Gerade jetzt sollte man sich aber auf solche Funktionen verlassen können. Viele Dozierenden haben im Online-Semester mit ihren Vorlesungen zeitlich überzogen oder mehr Aufgaben gestellt als normalerweise. Wenn das jeder macht, kommt man teilweise gar nicht mehr hinterher. Der Input war sicher gut gemeint, doch wenn jeder Dozierende es so handhabt, schafft man das Pensum kaum.

Sophia: Es sollte auch an die Chancenungleichheit gedacht werden. Viele Studierende haben nur eine kleine Wohnung, leben allein oder haben eine schlechtere Internetverbindung als andere. Manche haben auch keinen eigenen Laptop oder Tablet zur Verfügung. Dies alles sind Faktoren, die sich negativ auf das psychische Wohlbefinden auswirken können. Darauf sollte vermehrt Rücksicht genommen werden und gerade im Online-Semester immer im Hinterkopf behalten werden. An unserer Universität gibt es beispielsweise bereits psychologische Sprechstunden oder auch Laptopspenden, was ich sehr gut finde. Solche Angebote sollten unbedingt überall eingeführt werden und dann auch vermehrt darauf aufmerksam gemacht werden, damit die Studierenden diese in Anspruch nehmen und davon profitieren können.

 

Was haben die Universitäten/Fachhochschulen aber auch gut gemacht?

Niko: Unsere Hochschule hat sehr schnell reagiert, sodass im Handumdrehen unser gesamtes Semester online zu absolvieren war. Da der Umstieg im Frühjahr 2020 so schnell gehen musste war dies besonders bemerkenswert!

Sophia: Viele unserer Dozierenden geben sich besonders große Mühe und erstellen ganz kreative Online-Kurse. Da haben wir oft Abstimm-Möglichkeiten in kleinen Quizzen, E-Learning-Tests zur Selbstkontrolle oder auch Foren um Fragen zu stellen.

Ben: Gerade jetzt im zweiten Online-Semester merkt man, dass die Dozierenden sich mehr mit den Online-Plattformen auseinandersetzen. Wir nutzen viel mehr Funktionen in Zoom oder probieren neue Unterrichtspraktiken in Seminaren aus. Die meisten sind offen für neue Ideen und fragen auch uns immer wieder wie sie sich verbessern können.

 

Was sind eure Tipps für alle Studierenden, die gerade ins Online-Semester starten?

Niko: Ortswechsel. Steht vom Schreibtisch auf und geht mal raus. Während man sonst von Vorlesung zu Vorlesung über den Campus läuft hat man nun gar keine Abwechslung mehr. Und Ersti-Beratungen in Anspruch nehmen, dort erhält man wertvolle Tipps, die gerade jetzt umso wichtiger sind! Ansonsten einfach mal die Initiative ergreifen, digital ein Bier miteinander trinken und sich mit neuen Mitstudierenden digital zusammentun.

Sophia: Zum Freunde finden würde ich gerade jetzt empfehlen sich in Hochschulgruppen zu engagieren, da sich diese immer noch online treffen und man auch dort gute Freundschaften schließen kann. Ansonsten mache ich mit ein paar Freundinnen nach den Live-Vorlesungen oft noch ein kleines virtuelles „Nach-der-Vorlesung-Quatschen“. Wie eben in Präsenzzeiten immer vorm Hörsaal, nur jetzt halt per Zoom.

Ben: Sich eine Struktur aneignen und dann bei dieser bleiben! Gerade wenn man die Vorlesungen als Aufzeichnungen anschauen kann und nicht live zuschalten muss. Entweder ihr orientiert euch strikt an eurem Stundenplan und arbeitet diesen Woche für Woche ab, als hätte man Präsenzunterricht, oder ihr legt euch eine eigene Wochenstruktur zurecht nach der ihr arbeitet. Wichtig ist es, sich dann auch daran zu halten, um nicht den Anschluss zu verlieren.

 

Für das Interview haben wir uns ganz Corona-konform via Zoom getroffen, da unsere drei Universitäten alle die Plattform benutzen. Auch wenn es ein persönliches Zusammensein nicht ersetzt, kann man selbst hier überraschenderweise ganz gemütlich ein Glas Wein miteinander trinken, oder jetzt im Dezember auch Punsch und Glühwein!