Malen nach Steinen – Passau wird grau

Der penetrante Duft von Farbe liegt am vergangenen Samstag, den 18. Mai, in der Luft der Passauer Altstadt, als rund 40 Helfer mit dem neuen Anstrich der Pflastersteine in der Höllgasse, auch bekannt als Künstlergasse, beginnen. Jeder Unterstützer ist willkommen, egal ob jung oder alt, Künstler oder Student, spontaner oder angekündigter Besucher. „Die blauen und gelben Steine werden dunkelgrau, die grünen bemalen wir hellgrau und die roten bleiben rot“, weist Enrico Herzig, Vorstandsvorsitzender des Künstlervereins Agon e.V., an.

Die Idee, der Höllgasse auch äußerlich einen künstlerischen Touch zu verleihen, hatte der ansässige Bildhauer Gabor Pavluk bereits im Jahr 1995. Damals begann er mit einigen Kindern, das Pflaster der Gasse bunt zu streichen. Anfangs waren es nur kleine Abschnitte, die aufgrund der schlechten Farbe bereits nach 3 Wochen wieder verblichen. Seit zwei Jahren wird die Gasse nun in voller Länge bemalt – die spezielle Farbe hält das ganze Jahr, bis die Steine im Frühjahr wieder neu gestaltet werden.

„Wir machen das, damit die Künstlergasse noch etwas mehr Aufmerksamkeit bekommt, denn so viele Ateliers wie damals sind leider nicht mehr da und deswegen wollen wir uns einfach ein bisschen abheben“, erzählt uns Herzig, der seit fünf Jahren ehrenamtlich dabei ist.

Denn nach den Jahrhunderthochwassern von 2002 und 2013 entschlossen sich viele Künstler dazu, den unsicheren Standort zu verlassen und sich abseits des Donauufers anzusiedeln, sodass im Künstlerviertel nur wenige Ateliers verblieben sind. Trotz alledem verbindet der im Jahr 2000 gegründete Verein Agon auch ortsunabhängig die aktuell knapp 40 Mitglieder, zu denen sowohl Maler als auch Kunsthandwerker gehören. Eines ihrer bekanntesten Projekte ist dabei die Bemalung und Gestaltung der Höllgasse, über welche jedes Jahr gemeinsam abgestimmt wird.

Dieses Jahr entschieden sich die Mitglieder des Vereins für gedecktere Farben auf den Pflastersteinen, die anschließend vereinzelt mit kleinen Motiven, wie dem Passauer Wolf oder Abbildern von bekannten Sehenswürdigkeiten, versehen werden.

Zudem werden nur die Pflastersteine in der Höllgasse als Wegweiser zu den einzelnen Ateliers gestrichen. Den Nebengassen sieht man nur noch die verblassten bunten Farben des letzten Jahres an – sie bleiben dieses Jahr unbemalt.

Kein buntes Treiben mehr, sondern „grau wie das deutsche Wetter“, merkt ein Passant im Vorbeigehen an. Er bleibt nicht die einzige kritische Stimme. Missmut macht sich überdies in den eigenen Reihen des Vereins breit, auch dort ist man teilweise unzufrieden mit der diesjährigen tristen Farbauswahl. Denn jedes Jahr geben die bunten Steine für knapp 300.000 Touristen nicht nur ein tolles Fotomotiv ab, sondern weisen auch den Weg zu den kleinen Ateliers und Geschäften der Gasse.

Was ist also die Intention hinter der „Entfärbung“? Einerseits gibt es Kritiker der bunten Bemalung – es wirke wie ein „Kindergarten“ oder gar „Disneyland“Andererseits liefert Herzig selbst einen wesentlichen Grund für die Farbauswahl der Pflastersteine. Er beschreibt das diesjährige Projekt als eine Art „Schaffenspause“:

„Das liegt einfach daran, dass wir für nächstes Jahr ein bisschen mehr wollen, weil wir 2020 das 20-jährige Bestehen von Agon feiern und das soll dann natürlich mehr hervorstechen. Deshalb ist es dieses Jahr ein wenig dezenter, ein bisschen Weggehen von dem Kunterbunten und nächstes Jahr wird es pompöser. Wir wollen dann einen Punkt draufsetzen, dass es wieder bunt wird, gewaltig und einfach anders.“

Was genau für das große Jubiläum geplant ist, will der Vorsitzende noch nicht verraten. „Ideen, in welche Richtung es gehen soll, sind da, aber es ist noch nichts Konkretes abgestimmt.“ Und so bleibt nur die Vorfreude – und vielleicht auch etwas Hoffnung – auf die Rückkehr der altbekannten und beliebten knalligen Farben.

 

Fotos: Anna Heinrich und Vivian Stamer