BoJack Horseman – Geht ein Pferd in eine Bar…

Menschenähnliche Tiere, die mit Menschen Seite an Seite leben, das bunte Leben Hollywoo(d)´s,  jede Menge Wortwitze und Situationskomik und das Ganze natürlich noch in buntem Zeichentrick?! Das klingt doch perfekt dafür, um nach einem langen Tag Netflix an- und den Kopf abzuschalten. Tja, falsch gedacht! „BoJack Horseman“ hat zwar eine farbenfrohe und fröhliche Hülle, in ihrem Kern versteckt sich aber eine Serie über den langen und beschwerlichen Kampf gegen Depressionen und Selbsthass. Und dabei geht sie mit diesem Thema auf eine sehr differenzierte und erwachsene Art und Weise um. Also schonmal an alle Leute, die glauben, dass Cartoons nur was für Kinder seien: Neigh Way, Jose! Aber von Anfang an: Worum geht es denn überhaupt?

Back in the 90s lebte BoJack den Traum als gefeierter Star einer Familien-Sitcom, doch zwanzig Jahre später gleicht sein Leben eher einem Albtraum. Seit seinem Erfolg als Serienschauspieler legte seine Karriere einen drastischen Sturzflug hin und BoJack wurde von der gefragtesten Person Hollywoods zu einem C-Promi. Er lebt in einer Villa, in der sich Party an Party reiht, und versucht seine Innere Leere mit Drogen und wechselnden Affären zu füllen. In einem Versuch, wieder relevant zu werden, engagiert er eine Ghostwriterin, um seine Memoiren zu schreiben. BoJack ist egozentrisch, selbstverliebt, toxisch, unverantwortlich und vor allem verabscheut er sein eigenes Leben und seine Umwelt. Dabei wünscht er sich in seinem Inneren nur, akzeptiert und gemocht zu werden. Die große Frage der Show ist, ob in unserer Welt auch ein bisschen Glück und Liebe für einen empathielosen, zynischen Alkoholiker steckt und ob es für BoJack schon zu spät ist, noch ein guter Mensch beziehungsweise ein gutes Pferd zu werden.

Das ist die Prämisse der seit 2014 auf Netflix erscheinenden Comedyserie „BoJack Horseman“, die sich auch in bislang 5 1/2 Staffeln nicht grundlegend geändert hat. Allerdings sind mittlerweile die anderen Hauptcharaktere mehr ins Licht getreten und auch ihre Wünsche und Ängste werden durchleuchtet. Einige Charaktere sind menschlich, andere Tiere, die aber stark vermenschlicht wurden. Dies ist die Grundlage für einige Witze, da die Charaktere Eigenschaften haben, die typischerweise dem passenden Tier zugeschrieben werden. Mr. Peanutbutter, auch ein ehemaliger Serienstar und Bekannter BoJacks, ist zum Beispiel ein Labrador, der immer fröhlich und ein wenig einfältig ist und Postboten und Feuerwerk hasst. Die anthropomorphen Figuren scheinen zwar zu Beginn eines der auffälligsten Merkmale der Serie zu sein, treten aber schnell in den Hintergrund, weil sich dahinter erstaunlich vielschichtige Charaktere verstecken, die mit den oft zum Nachdenken anregenden Storys die wahren Stars dieser Show sind.

Die einzelnen Folgen beziehen sich relativ häufig auf (zu dem Zeitpunkt) aktuelle Themen wie die #MeToo-Bewegung oder das rücksichtslose Verhalten von Megakonzernen in der Unterhaltungsbranche. Diese Themen sind allerdings sehr allgemein gehalten, sodass sie auch 5 Jahre später nicht an Relevanz verloren haben. Die politische Seite der Serie rückt aber nie in den Vordergrund, sondern bietet das Rahmenwerk für die Handlungen unserer Protagonisten. Immer wieder werden auch Episoden eingestreut, die auf kreative Art mit den Genrekonventionen brechen und sich auch vom Rest der Serie abheben. So muss sich BoJack eine Folge lang im Zuge einer Pressetour in einem Unterwasserreich zurechtfinden, kann allerdings wegen seines Taucheranzugs nur per Zeichensprache kommunizieren. Eine andere Folge besteht fast nur aus einem Monolog, den BoJack auf einer Beerdigung hält. Dies ähnelt ein wenig dem Aufbau der Serie „Breaking Bad“, in der zum Beispiel eine Folge lang nur eine Fliege in einem Labor gejagt wird. Genau wie bei „Breaking Bad“ ist das originelle mit einem Hauch Genialität versehene Skript und seine kreative Umsetzung das Merkmal, das „BoJack Horseman“ von vielen anderen Serien abhebt.

Die erste Staffel, die bei ihrer Veröffentlichung im Gegensatz zu den anderen Staffeln nicht nur positive Kritiken erhielt,  beginnt relativ upbeat und oberflächlich. Mit jeder Episode steigt allerdings das Gefühl, dass das, was man da vor sich sieht, unangenehm nah die eigenen Ängste und Probleme widerspiegelt. Und so erwischt man sich zwischen zwei Lachern auch mal einen Knoten im Hals runterzuschlucken oder lange nachdem der Abspann gelaufen ist den leeren Bildschirm anzustarren, um zu verarbeiten, was man gerade gesehen hat. Eine andere Besonderheit ist, dass die einzelnen Episoden in der Regel nicht für sich stehen wie zum Beispiel bei den Simpsons, sondern eine fortlaufende Geschichte erzählt wird und jede Aktion eine weitreichende Konsequenz haben kann. Alle Charaktere machen Veränderungen durch und starten neue Lebensabschnitte. Jedenfalls alle bis auf BoJack, der wie in dem leicht psychedelischen Intro  mit einem leeren Blick durch die Welt geht und das Gefühl hat, er könne keinen positiven Einfluss auf seine Umwelt nehmen.

Im Großen und Ganzen stellt die Serie BoJacks Versuche dar, sein Leben in den Griff zu bekommen, es nach seinen Vorstellungen zu gestalten und so seiner Depression zu entkommen. Und dabei werden psychische Erkrankungen weder romantisiert noch klein geredet, sondern sehr reflektiert behandelt. Doch für jeden Schritt vorwärts geht es wieder zwei Schritte zurück. Denn der Weg aus der Depression ist ein langer und schwerer und egal, was man versucht, gibt es leider wie im echten Leben nicht immer ein Happy End. Trotzdem ist die Serie nicht zu deprimierend, sondern auch witzig, herzlich und wirklich bewegend. Man leidet und hofft mit den Charakteren mit und wünscht sich wirklich, dass BoJack trotz all seiner Fehler ein wenig Glück und Frieden finden wird. Denn wenn sogar BoJack glücklich werden kann, dann gibt es auch für uns Hoffnung! Und so werde ich am 31. Januar, wenn der zweite Teil der sechsten (und letzten!) Staffel auf Netflix erscheint und BoJack sich all seinen in den letzten fünf Staffeln begangenen Fehlern stellen muss, wieder in diese Achterbahn der Gefühle einsteigen, an deren Ende man hoffentlich nicht nur gut unterhalten wurde, sondern auch als Person etwas gelernt hat. In uns allen steckt manchmal ein wenig BoJack, aber wir müssen nicht die gleichen Fehler wie er begehen.