„Wünsch dir was und alle deine Probleme sind gelöst!“
Auf diesen Gedanken kommt man schnell, wenn man die Worte Manifestation und Affirmation hört. Doch was steckt wirklich dahinter – esoterischer Unsinn oder wirksame Optimierung von Lebensqualität?
Alles dasselbe?
Grundsätzlich wirkt das Thema rund um Affirmationen sehr unübersichtlich, und man muss die verschiedenen Begriffe erst einordnen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Affirmation beschreibt zunächst nur eine bejahende Aussage, also das Gegenteil von Negation. Der Begriff stammt vom lateinischen affirmatio, was „Versicherung“ oder „Beteuerung“ heißt.
Im spirituellen Kontext wird Affirmation verwendet, um das bewusste Formulieren positiver Sätze und Gedanken zu beschreiben, die negative Denkmuster durchbrechen und das Selbstbewusstsein stärken sollen. Im religiösen Kontext, also im Buddhismus und Hinduismus, können Affirmationen manchmal als Mantras eingesetzt werden. Mantras sind jedoch meist heilige Silben und Worte, die auf der Gefühlsebene dazu dienen, positive Glaubenssätze zu verankern.
Manifestation dagegen bedeutet, sich einen gewünschten Zustand so vorzustellen, als ob er bereits eingetreten wäre. Affirmationen können folglich fürs Manifestieren genutzt werden, um sich vollständig in den gewünschten Zustand hineinzuversetzen. Ebenfalls kann Meditation hierfür nützlich sein. Alles in allem sind es vielversprechende Mittel, um das Selbstbild positiv zu verändern, die zudem ihre Wurzeln in sehr alten Kulturen haben.
Warum ist das Thema so polarisierend?
Schon eine kurze Google-Suche liefert Hinweise: Man findet zunächst entweder überwiegend positive oder überwiegend negative Einschätzungen zur Wirksamkeit von Affirmationen. Häufig werden Ratgeber-Webseiten, Bücher oder YouTube-Videos vorgeschlagen, die passende Affirmationen für jede Lebenslage versprechen. Für Menschen, die dem Thema ohnehin skeptisch gegenüberstehen, können solche Ergebnisse schnell unseriös wirken.
Nadine Straßer, kunst- und kreativtherapeutische Beraterin sowie psychologische und systemische Beraterin in Passau, ordnet das Thema ein. Ihrer Ansicht nach ist es entscheidend, sich auf Affirmationen einzulassen und ihnen mit Offenheit zu begegnen – nur dann könne überhaupt eine Wirkung eintreten. Hier ist also die Grundeinstellung der individuellen Personen gefragt, und diese wird bestärkt – sowohl die positive als auch die negative Einstellung.
Das entspricht auch einem psychologischen Prinzip, dem Confirmation Bias. Dieser bedeutet, dass Menschen sich in ihrer Weltansicht bestätigt sehen, und das beeinflusst auch die Wahrnehmung und Auswahl von Informationen. Wenn man also googelt, ob Affirmationen wirksam seien, nimmt man eher die Resultate wahr, die die eigene Meinung widerspiegeln.
Was sagt die Wissenschaft?
Beide Ansichten stützen sich verständlicherweise auf wissenschaftliche Belege, um sich zu legitimieren. Eine Studie aus dem Jahr 2013 namens Self-affirmation Improves Problem-Solving Under Stress von J. David Creswell, Janine Dutcher, William Klein, Peter Harris und John Levine ergab, dass chronisch gestresste Personen durch Selbstbestätigung über mehr Problemlösungsleistung verfügten.
Dagegen steht eine Studie namens Positive Self-Statements – Power for Some, Peril for Others von Joanne Wood, Elaine Perunovic und John Lee aus dem Jahr 2009. Diese Studie zeigt auf, dass selbstbestärkende Aussagen für ohnehin selbstbewusste Menschen positive, für nicht selbstbewusste Personen aber durchaus auch negative Auswirkungen haben können.
Beide Studien sind oft herangezogene Beispiele und zeigen das Dilemma der beiden Fronten auf – es gibt keine klare Antwort, da viele verschiedene und individuelle Faktoren beteiligt sind.
Das Problem mit der Seriosität
Möchte man nun mit Affirmationen das Selbstbild stärken, stößt man schnell auf sogenannte Coaches – vor allem im Zusammenhang mit Social Media. Coach ist in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung; theoretisch kann sich also jede:r als Coach bezeichnen und Tipps oder Trainings gegen Bezahlung anbieten. Diese Umstände tragen zur allgemeinen Skepsis bei. Nadine Straßer rät:
Erstens sollte man auf sein Bauchgefühl hören, ob die Person professionell wirkt und sich dann zweitens informieren, ob diese irgendwelche Qualifikationen vorzuweisen hat. Der Begriff Coach wird leider oft missbräuchlich verwendet.
Sie fordert zudem, dass der Beruf psychologische:r Berater:in nicht mehr unter den Begriff Coach fallen sollte. Psychologische:r Berater:in ist ebenfalls kein geschützter Beruf, jedoch haben die meisten – wie Nadine Straßer – eine Ausbildung oder andere Qualifikationen absolviert, um den Beruf ausüben zu können.
An wen kann man sich also wenden? Hat man den Verdacht auf eine psychische Erkrankung und wünscht eine Diagnose, sollte man eine:n Psychotherapeut:in, Psychiater:in oder gegebenenfalls eine:n Heilpraktiker:in für Psychotherapie aufsuchen. Psychologische Berater:innen sind für Beratung und Hilfestellung in besonderen Lebenssituationen zuständig.
Bei Coaches, die keine Qualifikationen vorweisen können und verhältnismäßig viel Geld verlangen, sollte man vorsichtig sein. Auch Content von Influencer:innen, die keine entsprechende Ausbildung oder Zertifikation haben, sollte mit Vorsicht konsumiert werden und stellt keinen Ersatz für professionelle Hilfe dar.
Wer gezielt danach sucht, Affirmation und Manifestation zu lernen, wird beispielsweise bei Achtsamkeitsseminaren oder Kursen zur Persönlichkeitsentwicklung fündig. Ansonsten kann man auch in Gesprächstherapien darauf eingehen.
Die erwähnten Kurse gibt es auch online. Um einen passenden Kurs zu finden, kann es jedoch hilfreich sein, auf Preise und Qualifikationen der anbietenden Person zu achten.
Kein Allheilmittel
An dieser Stelle sei betont, dass Manifestation und Affirmationen kein Allheilmittel sind – schon gar nicht bei psychischen Erkrankungen. Aber auch bei gesunden Menschen besteht das Risiko, sich selbst zu überschätzen oder realitätsferne Zukunftsvorstellungen zu entwickeln – insbesondere in den sozialen Medien und bei jungen Menschen.
In einer Vollbild-Recherche namens Gefährliches Wunschdenken? Der Hype um Manifestation wird deutlich, dass eine zu starke Manifestationsüberzeugung durchaus Gefahren birgt. Sie macht auf das Coaching-Problem aufmerksam und bringt das Thema „toxische Positivität“ zur Sprache.
Laut einen Blogbeitrag der Krankenkasse Barmer ist toxische Positivität „die Überzeugung, dass man, egal wie schlimm oder schwierig eine Situation ist, eine positive Einstellung beibehalten sollte“. Durch diese zwanghafte Lebenseinstellung entstehen möglicherweise ernstzunehmende psychische Probleme.
Ein Werkzeug für ein besseres Selbstbild
Es ist also wichtig, das Thema – und vor allem unqualifizierte Coaches – kritisch zu hinterfragen. Wenn man Affirmation und Manifestation nicht als Allheilmittel betrachtet und sich an qualifizierte Fachpersonen wendet, können diese das Selbstbewusstsein stärken und in besonderen Lebenslagen helfen.
Mit einer differenzierten Sichtweise sind solche Methoden möglicherweise ein wertvoller Bestandteil persönlicher Weiterentwicklung – vorausgesetzt, sie werden mit gesundem Menschenverstand und fachkundiger Begleitung genutzt.
Hinweis: Dieser Artikel ist Teil der Themenwoche Sprache des Passauer Campusmagazin blank. Mit dieser Themenwoche möchten wir verschiedene Perspektiven auf Sprache sichtbar machen und zur Auseinandersetzung mit ihrer Komplexität anregen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchten lediglich einige der vielen Facetten beleuchten. Weitere Beiträge zum Thema Sprache erscheinen im Laufe der Woche (23. bis 29. Juni 2025) – hier, auf unserem Instagram-Account sowie auf Spotify.
