Was darf Europa wagen?

Europa hat viele Sprachen – am Dienstagabend redete Passau ein Wörtchen mit. Bei der Veranstaltung „Europa im Dialog – Bürgerforum der bayerischen Staatsregierung“ konnten die Teilnehmer sich Gehör verschaffen und die EU-Kommissarin sowie den Leiter der bayerischen Staatskanzlei mit ihren Fragen konfrontieren. Während der Diskussion brisanter Themen wie die Einführung eines europäischen FBIs und die Umsetzung der Fridays for Future Forderungen zählte nicht nur die Meinung der Experten, sondern die Ansicht jedes Einzelnen im Publikum.

Dabei waren Bürger aller Alters- und Berufsgruppen eingeladen mit Věra Jourová, der EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung und Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, über die anstehende Europawahl am 26. Mai zu diskutieren. In Zeiten wirtschaftlicher Instabilität durch Handelskriege und digitaler Herausforderungen wie Fake News, ist es wichtiger denn je, über gemeinsame Werte und Ziele zu diskutieren.

„Dieses Europa ist das beste Europa, das es jemals gegeben hat und dieses zu bewahren und weiterzuentwickeln ist unser historischer Auftrag“ – Dr. Florian Herrmann

Věra Jourová warnt davor, dass gerade die Passivität vieler junger Leute undemokratische Regierungen schützt und appelliert daher dazu aufzustehen und aktiv zu werden. In diesem Sinne haben sich Schüler der Passauer Gymnasien im Rahmen von Workshops Gedanken zum Thema Sicherheit, Identität und Nachhaltigkeit gemacht. Für mehr gelebte Demokratie konnten die Schüler während der Veranstaltung ihre Fragen direkt an die EU-Kommissarin und den Staatsminister stellen. Während den Diskussionen richteten sich mehrere Umfragen an das Publikum, welches über die Interaktionsplattform sli.do seine Meinung einbringen konnte.

Zum Thema Sicherheit forderten die Schüler Herrn Dr. Herrmann heraus und wollten von ihm wissen, was er von der Zentralisierung der Sicherheitskräfte in Europa halte, also von einem europäischen FBI. Tatsächlich würde der Staatsminister dabei die Richtung FBI gut finden, bezweifelt aber, dass dies bald der Fall sein wird:

„.Ich finde es wichtig, dass viele Dinge umgesetzt werden, die schon längst beschlossen sind, wie zum Beispiel eine bessere Zusammenarbeit den verschiedenen Polizeibehörden in den Mitgliedsstaaten“ – Dr. Florian Herrmann

Welche Werte sind Ihnen wichtig? Darüber konnten die Zuhörer in der ersten Umfrage abstimmen. Für mehr als die Hälfte (60 Prozent) stand Freiheit an erster Stelle, dicht gefolgt von Demokratie (54 Prozent). Erst an letzter Stelle (20 Prozent) stand die Gleichberechtigung. Apropos Geschlechtergleichheit – Wie wichtig ist eigentlich Identität im Alltag? Was prägt uns und was sind rote Linien bei der Identitätsbeschreibung? Europa polarisiert in diesem Thema, das sieht auch Věra Jourová:

„We should do everything to avoid that the identities are fighting against each other.” –
Věra Jourová

Wie sieht das das Publikum? Ist es besorgt um seine nationale Kultur? Ganze 61 Prozent der Zuhörer wünschten sich nicht weniger, sondern mehr europäischen Zusammenhalt, etwa durch die Vereinigten Staaten von Europa. Nur 30 Prozent der Anwesenden sprachen sich für den Erhalt des Status Quo aus.

Die Schüler diskutieren mit der EU-Kommissarin und dem Leiter der bayerischen Staatskanzlei

Klar gegen den Status Quo – wie etwa die aktuelle Umweltpolitik – richten sich derzeit weltweit zahlreiche Freitagsdemonstrationen. Die Aufheizung des Klimas heizt vor allem die Gemüter der jungen Wähler in der EU auf. Konkrete Lösungen forderte dabei eine Schülergruppe aus Passau und fragte Herrn Dr. Herrmann, wie er unter den wirtschaftlichen Interessen die Forderungen von Fridays for Future umsetzen würde. Nach dem Staatsminister würde das Thema auch ohne die Demonstrationen Beachtung finden, allerdings gibt Dr. Florian Herrmann zu:

„Durch die Fridays for Future Bewegung kommt schon eine Verschärfung der Geschwindigkeit bei der Lösungsfindung zum Ausdruck“ – Dr. Florian Herrmann

Für Věra Jourová spiegelt die Fridays for Future Bewegung genau die Aktivität wider, die sie sich von den EU-Bürgern wünscht:

“Fridays movement is something, I am so happy about” – Věra Jourová

Abschließend konnte auch das Publikum direkt Fragen an die EU-Kommissarin und den Staatsminister richten. Besonders drängend ist in Anbetracht der europakritischen Strömungen die Frage, warum Erfolge zu oft national und Misserfolge immer öfter rein europäisch begründet werden.

„I sometimes think Brussel serves as a kind of therapy for the national politicians” – Věra Jourová

Die EU-Kommissarin kritisiert dabei scharf die Wahlkampfstrategie vieler Politiker und fordert als Lösung mehr dezentrale Kommunikation der Tätigkeiten der Europäischen Union in allen Mitgliedsstaaten. Europäische Probleme können ihrer Meinung nach nur durch Europäische Maßnahmen gelöst werden – dafür braucht es auch das Interesse und die Teilhabe jedes Einzelnen, gleich welcher Nation er*sie angehört. Für den 26. Mai wünscht sich Věra Jourová deshalb vor allem die überlegte Stimme aller Bürger der Europäischen Union.