My happy little pill? – 60 Jahre Antibabypille | Blankziehen

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Lena Langecker Ressortleiterin Gesellschaft

Jahrzehntelang galt die Pille als Zeichen der Selbstbestimmung für die Frau. Doch mittlerweile will nicht mehr jede Frau das Hormon-Präparat schlucken. Dieses Jahr feiert die Antibabypille ihren 60. Geburtstag. Obwohl Geburtstag angesichts der Funktion der Pille vielleicht die falsche Bezeichnung ist.

Der Geburtstag der Antibabypille

Am 18. August 1960 revolutionierte die Antibabypille mit ihrer Markteinführung in den USA die Empfängnisverhütung für Frauen. Ein Jahr später kam das Hormonpräparat auch nach Deutschland. Frauen konnten erstmals selbstbestimmt ungewollte Schwangerschaften verhindern und die Verantwortung für die Familienplanung übernehmen. Möglich machten das in den 1920er Jahren die Krankenschwester Margaret Sanger und die Biologin Katharine McCormick. Die beiden Frauenrechtlerinnen schlossen sich mit dem Endokrinologen Gregory Pincus zusammen. Mit Hilfe von Katharines McCormicks Eigenkapital von zwei Millionen Dollar entwickelte Pincus mit seinem Kollegen John Rock die Pille. Auch dank der Chemiker Carl Djerassi und Franc Colton gelang es ihnen das Schwangerschaftshormon Progesteron und das weibliche Hormon Östrogen künstlich herzustellen. Progesteron verhindert den Eisprung und somit eine Befruchtung. Zufällig stießen sie außerdem darauf, dass Östrogen die Einnahme verträglicher macht. Eigentlich wurde die Pille 1957 in den USA zuerst als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden zugelassen, wobei die Empfängnisverhütung noch unter „Nebenwirkungen“ aufgelistet war. Erst 1960 war die Antibabypille als solche geboren.

Von Selbstbestimmung zu Selbstverständlichkeit

Was als Zeichen der Selbstbestimmung für Frauen weltweit 1960 begann, entwickelte sich bis heute zu einer Selbstverständlichkeit, die Verhütung zur „Frauensache“ machte. Den beiden Frauenrechtlerinnen war in den 1920er Jahren wohl nicht bewusst, dass knapp 100 Jahre später der tägliche Griff zum Pillenblister für Millionen Frauen zum Alltag gehört. Laut einer repräsentativen Untersuchung zum Verhütungsverhalten Erwachsener der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2018 verhüten in Deutschland 47% der erwachsenen, sexuell aktiven Frauen mit der Pille. Damit ist die Pille das beliebteste Verhütungsmittel in Deutschland, gefolgt von dem Kondom.

Frauen sind pillenmüde

Doch es werden immer mehr Stimmen laut, die eine Gleichberechtigung von Mann und Frau in Sachen Verhütung fordern. Nicht mehr alle Frauen wollen das Hormonpräparat jeden Tag einnehmen müssen und sich so in der Verantwortung sehen. Frauen seien pillenmüde. Obwohl die Dosierung der Pille über die Jahre gesunken ist, hat sie sich in den letzten 60 Jahren kaum weiterentwickelt. Nach wie vor haben viele Frauen mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Zu ungefährlichen Nebenwirkungen zählen Kopfschmerzen, Übelkeit, ein Spannungsgefühl in der Brust, sexuelle Lustlosigkeit und Stimmungsschwankungen. Eine schwerwiegendere Nebenwirkung ist die erhöhte Thrombose-Gefahr. Eine Thrombose ist ein Blutgerinnsel, welches in einem Blutgefäß entstehen kann und so die Durchblutung stört oder verhindert. Wenn ein Blutgerinnsel aus einer Bein-Vene in die Lunge oder das Herz gelangt, ist das lebensgefährlich. Dieses Risiko ist allerdings sehr gering, wird jedoch besonders durch die modernen Pillen mit ihren veränderten Hormonwirkstoffen erhöht.

Happy No-Birthday“

Warum an der Pille nicht weitergeforscht wird? Üblicherweise steckt die Pharmaindustrie etwa 20% ihres Umsatzes in die Forschung. Bei Verhütungsmitteln liegt dieser Anteil gerade einmal bei 2%. Warum, wenn doch immer mehr Frauen die Freiheit wählen, die Pille nicht zu nehmen? Carolin Kebekus gab in ihrer gleichnamigen Show des Ersten vor einigen Wochen darauf eine Antwort. „Es lässt sich einfach kein Geld mehr verdienen. Die Frauen schlucken die Pille trotz Mängel massenweise. […] Weil sie funktioniert und weil es keine wirklich guten Alternativen gibt.“

 

Gemieden und verschwiegen. Noch immer sind bestimmte Themen in unserer Gesellschaft tabuisiert. In unserer neuen Rubrik „Blankziehen“ lassen wir die Hüllen rund um einige Tabus fallen. Denn sind wir der Meinung: Jedes Thema hat eine Stimme verdient.

 

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Quellen

https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/wie-schaedlich-ist-die-pille/

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/verhuetung-immer-mehr-frauen-sind-pillenmuede,RqmMqFe

https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/210997/55-jahre-pille-

https://www.rnd.de/gesundheit/die-pille-popular-und-umstritten-60-jahre-verhutung-aus-dem-blister-CFXKIXAELFGYTHVXSF2CULGI7I.html