Mit The Marvelous Mrs. Maisel landete Amazon Prime 2017 einen Hit und produziert inzwischen bereits die vierte Staffel. Die Serie handelt von Miriam Maisel, genannt Midge (Rachel Brosnahan). Diese ist auf den ersten Blick die perfekte Vorzeige-Frau der 50er-Jahre: Sie ist Ehefrau, Hausfrau und Mutter zugleich, stets zurechtgemacht und abrufbereit für sämtliche Belange ihrer Familie. Als ihr Mann Joel (Michael Zegen) sie jedoch für die Affäre mit seiner Sekretärin verlässt, stellt dies ihr komplettes Leben auf den Kopf. Sie betrinkt sich und landet unerwartet auf der Stand-up-Comedy Bühne in einem Café, in welchem ihr Mann zuvor regelmäßig, aber doch erfolglos aufgetreten war. Im Gegensatz zu ihm, scheint Midge dort jedoch ein unentdecktes Talent zu entwickeln. Während sie so aus ihrer traditionellen Frauenrolle ausbricht und sich mehr und mehr emanzipiert, sorgen sich ihre Eltern nur um eines: Die Trennung von Joel und ihr geheim zu halten und diesen so schnell wie möglich wieder mit Midge zu vereinen. Denn eine geschiedene Frau kommt nicht in Frage.
Auf der Bühne präsentiert sich Midge keineswegs als die perfekte Hausfrau und Mutter. Im Gegenteil, sie gesteht, dass sie sich eingeengt fühlt und vielleicht gar nicht richtig in das typische Frauenbild hineinpasst. „Wieso sollen Frauen immer so tun als wären sie etwas, das sie nicht sind?“, fragt sie ins Publikum und erntet dabei viel Applaus von ihren weiblichen Zuschauerinnen. Sie gibt zu, sie sei vielleicht gar nicht fürs Mutter-Sein gemacht und muss sich als alleinstehende Frau andauernd vor ihrer Familie und ihren Freunden rechtfertigen. Dabei eckt sie mit ihrer emanzipierten Art immer wieder an.
Von glücklichen Hausfrauen und perfekten Familien
Eine Figur wie Midge, hätte man im Fernsehen der 50er Jahre wohl nie zu Gesicht bekommen. Wirft man einen Blick in bekannte Sitcoms dieser Zeit, so wird einem stets das traditionelle und konservative Bild einer weißen Familie der Mittelschicht vorgeführt. Die Cleaver Familie aus Leave it to Beaver (1957) oder die Andersons aus Father Knows Best (1954) sind nur wenige dieser Familien, die ein rundum harmonisches und glückliches Leben führen. Die typische Fernseh-Mutter scheint ihre komplette Erfüllung im Hause der Familie zu finden und ist in der ihr vorgesehenen Rolle als Haus- und Ehefrau rundum zufrieden. Der allseits geliebte Vater steht seiner Familie mit Rat und Tat zur Seite und ist als Familienoberhaupt derjenige, zu dem Söhne und Töchter bewundernd hinaufschauen. Diese wiederum runden, als wohlerzogene Kinder, das Bild der idealen Familie ab. Darüber hinaus stellt die Familie für all ihre Mitglieder einen Rückzugsort dar, welcher komplett frei von jeglichen Problemen zu sein scheint.
Mehr Schein als Sein? – Der Mythos der Idealfamilie
Um zu erkennen, dass es sich dabei nur um eine Illusion handelt und die dargestellten Fernseh-Familien keineswegs der Realität entsprachen, reicht ein kurzer Blick auf die Geschichte der 50er. Diese waren geprägt vom Nachwirken des 2. Weltkriegs, der großen Depression und dem beginnenden kalten Krieg. Eine Zeit, in welcher man sich zwar nach dem perfekten und harmonischen Familienleben sehnte, man dieses jedoch nie erreichen konnte. Väter hatten aufgrund ihres Berufes kaum Zeit für ihre Kinder und Mütter mussten sich stets nach den Vorstellungen des Ehemanns richten. Taten sie dies nicht, kam es nicht selten zu Misshandlungen innerhalb der Familie, über welche der Staat jedoch meist hinwegsah. Frauen hatten aufgrund der konservativen Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft meist keine andere Wahl, als sich für die Ehe und das Familienleben zu entscheiden, welches stark patriarchal ausgerichtet war und Frauen häufig unterdrückte. Dass diese dann oft einen Ausweg über Drogen und Alkohol suchten, scheint also kein Zufall gewesen zu sein. Die Inszenierung der perfekten Idealfamilie ist jedoch nicht nur dem Harmoniebedürfnis dieser Zeit zu schulden, sondern auch dem sogenannten Motion Picture Production Code, welcher seit den 30er Jahren die Filmindustrie maßgeblich bestimmte. Dabei handelte es sich um einen moralischen Kodex, an den sich Filmemacher verpflichtend zu halten hatten. Er enthielt mehrere Grundregeln über die Darstellung verschiedener Themen in Filmen. So durften beispielsweise nur, für damalige Verhältnisse, korrekte Lebensweisen dargestellt werden. Außerdem musste Verbrechen oder Fehlverhalten stets als falsch und verwerflich ausgewiesen werden. Allgemein ließ der Kodex also nur unkritische Formate zu, was in Folge dessen auch zu einer starken Selbstzensur innerhalb der Filmindustrie führte. So wagten sich Film- und Fernsehmacher gar nicht erst an kritische Themen oder Problematiken in ihren Werken. Kontroverse Themen die in Realität zwar existierten, in der damaligen Gesellschaft jedoch nicht toleriert wurden, wurden in den Medien somit gar nicht erst repräsentiert. Vielmehr wurde eine perfekte Scheinwelt vorgeführt, mit Vorstellungen und Erwartungen welche innerhalb der Gesellschaft als besonders erstrebenswert galten. Zu diesen gehörten jedoch weder Patchwork-Familien, noch alleinstehende oder gar emanzipierte Frauen. Es ist also nicht verwunderlich, dass in Serien der 50er stets überidealisierte Familien mit liebevollen Vätern und glücklichen Müttern gezeigt wurden. Es entstand ein Mythos der perfekten Familie, die in Realität so nie existierte.
Wie es Midge gelingt den Mythos aufzubrechen
Erst mit der Abschaffung des Motion Picture Production Codes 1968 und durch Strömungen, wie die der Bürgerrechtsbewegung oder der 68er-Bewegung, fand auch in den Medien eine zunehmende Liberalisierung und Gleichstellung statt. Heute werden insbesondere in den Video-on-Demand-Serien liberale Werte stärker repräsentiert und umgesetzt. So auch in The Marvelous Mrs. Maisel, welche eben keine Idealfamilie gemäß den Erwartungen der 50er Jahre darstellt. Stattdessen bricht die Serie den Mythos der perfekten Familien auf und inszeniert diese eher als den Ort der größten Probleme. Midges und Joels Trennung entwickelt sich zu einem Drama für die gesamte Familie. Während um Midge herum alle versuchen sie und Joel wieder zu vereinen, geht diese ihren eigenen Weg und emanzipiert sich nicht nur als Stand-up-Komikerin, sondern auch als alleinstehende Frau. Die Bühne wird für Midge ihr Rückzugsort und ein Ausweg aus ihren familiären Problemen. Doch nicht nur sie bricht mit der traditionellen Vorstellung der Vater-Mutter-Kind-Familie der 50er. Auch ihre Freundin und Managerin Susie (Alex Borstein), die alleine und ohne jegliche familiäre Anbindung lebt, strebt keineswegs dem Idealbild der glücklichen Familie im hübschen Häuschen nach. Im Gegenteil, sie zieht Nacht für Nacht mit Midge durch die Clubs, wo sie versucht dieser den Weg zu einer erfolgreichen Karriere, als Komikerin, zu ebnen.
The Marvelous Mrs. Maisel macht deutlich, dass zerrissenen Familien und unterdrückte Hausfrauen, die aus ihrer Rolle ausbrechen wollten, zu dieser Zeit keine Ausnahmen waren. Vielmehr war es die Gesellschaft, die gerne ihre Augen vor der Realität verschloss. Ausnahmen waren nämlich vielmehr die perfekt inszenierten Familien, welche Serien dieser Zeit vorführten. Dem medialen Wandel bis heute ist es also zu verdanken, dass wir in Serien wie The Marvelous Mrs. Maisel eine durchaus realitätsnähere und somit aktualisierte Darstellung der 50er Jahre zu sehen bekommen.
Quellen:
Kelsch, Jakob. Father knows worst! Familiendarstellung in der populärkulturellen US-amerikanischen Zeichentricksitcom. ibidem- Verlag, 2019.
Shurlock, Geoffrey. “The Motion Picture Production Code.” The ANNALS of the American Academy of Political and Social Science, vol. 254, no. 1, Nov. 1947, pp. 140–46. SAGE Journals, doi:10.1177/000271624725400122.
Vaughn, Stephen. “Morality and Entertainment: The Origins of the Motion Picture Production Code.” The Journal of American History, vol. 77, no. 1, 1990, pp. 39–65. JSTOR, doi:10.2307/2078638.
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