Wer an diesen Tagen durch die Passauer Altstadt schlendert und dabei den Rindermarkt überquert, dem wird neben einem dort platzierten Tannenbaum besonders eine Auffälligkeit ins Auge springen. Schon zum vierten Mal wurde die Fassade des Kunstgeschäfts „livingart“ weihnachtlich dekoriert – und spaltet auch dieses Jahr die Gemüter wie kein anderes Kunstwerk in Passau.
Vierjährige Kreativität
Katrin Pernpointner, die Inhaberin des Geschäfts, erzählt stolz von den Projekten der vergangenen Vorweihnachtszeiten. „Schon seit vier Jahren wird die Fassade geschmückt, jeweils für sechs Wochen und bis zum 5. Januar“, berichtet sie. Während die ersten zwei Kunstwerke, bunt verzierte Lebkuchenhäuser, noch gemäßigt und „brav“ ausfielen, wollte man sich im dritten Jahr an etwas Ausgefalleneres wagen. Die Weihnachtsdeko unter dem Motto „Alice im Wunderland“ sorgte für viel Wirbel zur Adventszeit. „Plötzlich reagierten etliche Menschen auf unser Werk, teilweise auch sehr negativ“, fasst die Ladenbesitzerin das Feedback aus dem Jahr 2016 zusammen.
Proteste mit großer Wirkung
Besonders einem Mitglied des Stadtrates passte die ausgefallene Fassade überhaupt nicht. Er sah das Stadtbild Passaus in seiner Schönheit angegriffen und wehrte sich mit allen Mitteln, schaltete sogar das Bauordnungsamt ein. Das Geschäft „livingart“ machte diese Reaktionen durch einen Facebook-Beitrag öffentlich – und löste so einen Shitstorm gegen diejenigen aus, die sich gegen das auffällige Kunstwerk auflehnten. Innerhalb weniger Tage wurde das Passauer „Kantner-Haus“ am Rindermarkt in ganz Deutschland bekannt, große Vertreter der Medien, darunter die ARD und RTL, berichteten über Katrin Pernpointners Geschäft – und über Alex Lehderer, den Künstler hinter dem Projekt.
Zerrissene Spiegel
Seit drei Jahren ist dieser für die Umsetzung der Fassadendekoration zuständig. Zusammen mit Katrin Pernpointner arbeitete er auch dieses Mal schon lange vor dem endgültigen Aufbau an der Gestaltung. Der Geschäftsleiter des Unternehmens „Millenium Vision“ hat sich auf Dekorationen spezialisiert und sich unter anderem durch die Gestaltung von Häuserfassaden einen Namen gemacht. „Die diesjährige Silberfassade soll die Zerrissenheit Passaus darstellen“, so Pernpointner. Durch die unterschiedlichen Positionierungen der etwa 100 Spiegel entstehen Facetten und Zerrbilder, welche mit typischen Aufnahmen der Stadt in ihrer Aussagekraft unterstützt werden. Umrandet wird das Werk von einem goldenen Bilderrahmen und gewinnt für Katrin Pernpointner so an Persönlichkeitswert, da der Familie die Rahmenfabrik „Spagl“ gehört.
Verschiedenste Reaktionen
Obwohl die Fassade in diesem Jahr aufgrund der letztjährigen Debatte etwas gemäßigter ausfällt könnte das Feedback unterschiedlicher nicht sein. „Gerade jüngere Menschen scheinen das Werk häufig nicht zu verstehen und sehen nur ein silbernes Baugerüst“, berichtet Pernpointner. Von vielen anderen Passauern jedoch empfängt die Anfertigung viel Zuspruch und auch Touristen scheinen angetan zu sein von der äußeren Gestaltung des Geschäfts, welche man in dieser Form wahrscheinlich nirgendwo anders finden kann. So entstehen gerade an Wochenenden ab und an kleine Menschentrauben aus welchen das Werk eifrig fotografisch festgehalten wird.
Im Gespräch mit Katrin Pernpointner stellt man schnell fest, mit welcher Leidenschaft und Überzeugung die Ladenbesitzerin hinter ihrer Kunstfassade steht. Kritik nimmt sie gerne an, will sich davon jedoch nicht in ihrer künstlerischen Freiheit einschränken lassen. Auch für das kommende Jahr ist schon jetzt ein weiteres Projekt geplant. Um was es sich dabei jedoch konkret handeln soll will die „livingart“ Inhaberin noch nicht verraten. Denn das Werk lebt neben seiner Aussagekraft und Auffälligkeit auch von seinem alljährigen Überraschungseffekt – man kann also gespannt sein.