Fukk Genetikk! Nein, ich habe keine Aggressionen. Genetikk scheint diese eher selbst zu haben. Bevor sie sich von ihren Hatern ficken lassen, ficken sie sich lieber selber. Ihr Plan: alles neu machen! Und somit veröffentlichte die Hip-Hop Crew, welche seit 2011 bei dem Independent Label Selfmade Records unter Vertrag ist, am 02.12.16 ihr fünftes Studioalbum. Nach „Achter Tag“ ist auch „Fukk Genetikk“ wieder absolut fett.
Mit ihrer neuen Platte schafft es Genetikk, Gesellschafts- und Kapitalismuskritik unter dem Deckmantel des Deutschrap zu formulieren. Besonders stark richten sich ihre Lines hierbei gegen das Schubladendenken der Europäer und den „American Dream – brainwash machine“. Dank der letzten Präsidentschaftswahlen bekam der Song „tote Präsidenten“ gleich noch eine weitere Bedeutung – zusätzlich zu den vermutlich angesprochenen toten Präsidenten auf den Geldscheinen. Das Thema Geld zieht sich prinzipiell wie ein roter Faden durch alle 16 Songs der Platte. Wenn sie uns fragen „Cash oder Liebe?“, beantworten Genetikk ihre Frage gleich selbst. Jedoch anders als Andere. Während Kay One immer noch seinen Style und sein Geld feiert, haben Karuzo und Sikk längst erkannt, dass die Menschen vergessen haben, wo der Unterschied ist. Auch Jordan Belfort, bekannt aus dem Film „Wolf of Wallstreet“, erscheint in ihren Tracks. In einem Interview mit Noisey beichten sie jedoch, dass sie sich sehr wohl mit dem Hochstapler der Börsenmärkte identifizieren können. Denn nur durch Selbstbewusstsein gelingt einem der Weg an die Spitze.
Zu Beginn des Albums werden wir erst einmal durch fremdsprachige Zungen begrüßt – wie auch schon im vorherigen Album. Die portugiesischen Texteinschübe sollen uns in die brasilianischen Favelas katapultieren. Nachdem sich „Achter Tag“ hauptsächlich auf asiatisches Gebiet bezogen hat, sorgt „Fukk Genetikk“ für ein südamerikanisches Flair. Besonders im Song „Mata Cobra“ (dt. Töte die Schlange) werden diese Lines aus dem Intro noch einmal aufgegriffen und mit einem sehr schönen Outro vollendet. Karuzu selbst spricht sieben Sprachen, unter anderem Portugiesisch. Ihre Message diesmal: Nicht nur in Europa gibt es Probleme, auch andere Länder brauchen Hilfe und Aufmerksamkeit. Auch in den brasilianischen Favelas gibt es beispielsweise Flüchtlingsheime.
Die Flüchtlingsthematik wird auch in den Songs aufgegriffen. Beginnend mit der Vertreibung der amerikanischen/brasilianischen Natives, über Vertreibung aufgrund von Ölvorkommen und Diamanten, bis hin zur aktuellen Problematik.
Man erzählt sich, es gibt viele von uns, Mädchen und Jungs
Die zur Zielscheibe werden ohne tieferen Grund
Solange noch die nächste Lieferung pumpt
Ist allen Seiten ihre miese Finanzierung gelung‘
Und dieser Punkt auf der Stirn leuchtet rot, hab‘ meine Freunde geholt
In Karawanen geflohen, doch die Zäune sind hoch
Pack‘ die Träume ins Boot
Neunundneunzig Luftballons, neunundneunzig Patron‘ – lass‘ sie platzen
—Peng Peng—
Auch die Kritik am American Dream, der Waffenpolitik und dem Kapitalismus ist stark ausgeprägt. Dank leiser Hintergrundmusik kommt vor allem im Track „Diamant“ die erschütternde Botschaft zur Geltung. Wer genug von politischen Themen hat, findet aber auch im Song „Goyard“ die für den Hip-Hop übliche Sex-Thematik.
Nun aber etwas zur Musik: Auch wenn keine besonders neuen Beats vorhanden sind, sorgen Old-School Rhythmen für den beliebten „Bounce-Effekt“. Auch am Rock-Genre haben sich die Saarbrückener bedient. Im Song „TeenSpirit“ erinnert nicht nur der Titel an Nirvanas „Smells like Teen Spirit“. Auch das weltbekannte Gitarrenriff bildet leicht variiert die Basis des Songs. Die Trommelklänge des Titelsongs „Fukk Genetikk“ versetzen uns in Trance und machen einen wieder auf die Schönheit deutscher Rapmusik aufmerksam. Danke Genetikk! Auch die altbekannten Kinderchöre sind wieder dabei und reißen unsere Hände direkt nach oben. Somit kommt auch die Emotionalität nicht zu kurz! Zückt schon mal eure Feuerzeuge! Wiederum haben sie sich prominente Gäste dazu geholt. Der New Yorker A$AP Nast, Mitglied der Hip-Hop Crew A$AP Mob, unterstützt Karuzo und Sikk im Song „Zombies“. Die deutsche Soul- und R ´n´B Sängerin Joy Denalane wurde für den Track „Luzifer“ gefeatured.
An diesem Punkt erlaube ich mir eine Prognose aufzustellen: „Peng peng“ wird wohl der neue Festivalknaller von Genetikk werden, nachdem sie mit „Wünsch dir was“ und „Yes Sir“ bereits für Hochstimmung gesorgt haben. Zudem veröffentlichten sie zu diesem Lied – als erstes aus dem Album – ein Musikvideo. Aktuell sind sie bereits im Line-up von Rock im Park vertreten.
Leider kommen mir persönlich in manchen Songs die Strophen etwas zu kurz. Sind die meisten Lieder zwar von einem Outro gesäumt, wären ein paar Verse mehr oder abwechslungsreichere Beats jedoch wünschenswert gewesen. Aber „c’est la fukkin‘ vie!“ Alles in allem: ein durchaus gelungenes Album mit deeper Message!
Lang lebe Genetikk!