Kurz vor Zwölf – FDP bricht Sondierungsgespräche ab

Paukenschlag in Berlin. Lange ging man in der Bundeshauptstadt von einer erfolgreichen Jamaika-Koalitionsbildung aus. Um kurz vor Mitternacht hat die FDP mit Parteichef Christian Lindner nun den Abbruch der Sondierungsgespräche verkündet. Die Partei könne den „Geist des Sondierungspapiers“ nicht verantworten.

Überraschender Rückzug
Dass die bereits vergangene Woche angekündigte Deadline der Sondierungsgespräche nicht einhaltbar sein würde, davon gingen Parteien, Medien und die Öffentlichkeit eigentlich schon aus. Am 19.11 um 18 Uhr wollte man sich einig sein, die Spitzenrunde tagte jedoch auch gestern wieder bis in den späten Abend. Als der Parteichef der FDP, Christian Lindner, die Verhandlungen dann jedoch für endgültig gescheitert erklärte, wurde eine mögliche Jamaika-Regierung Geschichte – und Fragen nach dem weiteren Verlauf der Regierungsbildung häuften sich.

Entscheidende Rückschritte
In den letzten Wochen entstand zwar häufig ein Gefühl der Stagnation, kleine Schritte in die Richtung einer Einigung konnten aber durchaus vollbracht werden. Der Pressemitteilung der FDP zufolge wurden am gestrigen Sonntag jedoch entscheidende Rückschritte gemacht, welche bereits erzielte Übereinstimmungen wieder vollständig infrage stellten. Mit den Worten „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ und „Wir werfen niemanden vor, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch.“ stellte sich Lindner der Presse und eliminierte damit die Hoffnung für die für viele eigentlich unausweichliche Jamaika-Koalitionsbildung.

Zwischen Resignation und Bestätigung
CDU/CSU und Grüne bedauern die Entscheidung der FDP. Katrin Göring-Eckardt berichtet, die Grünen hätten „alles daran gesetzt, dass diese schwierige Konstellation zustande kommt“, während Angela Merkel als geschäftsführende Bundeskanzlerin alles dafür tun will, „dass dieses Land durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“ Für DIE LINKE waren die Gespräche bereits im Voraus zum Scheitern verurteilt, Katja Kipping spricht von dem „Ende der Ära Merkel“. Auch die in diesem Jahr neu in den Bundestag gewählte AFD sieht das Vorgefallene als Bestätigung und freut sich einem ersten Stimmungsbild in Twitter zufolge auf nun möglich gewordene Neuwahlen. Doch sind diese tatsächlich unumgänglich?

Drei realistische Möglichkeiten
Der Abbruch der Sondierungsgespräche von Seiten der FDP sorgt nun für eine völlig neue Situation in Berlin und kreiert drei möglich Ausgänge einer Regierungsbildung. Die Erste wäre eine erneute große Koalition, die SPD hatte diese Möglichkeit jedoch bereits unmittelbar nach der Wahl abgetan, zu groß seien die Verluste im Wahlkampf gewesen. Die zweite Möglichkeit ist eine Minderheitsregierung. Geschichtlich wäre dies eine Premiere, noch nie gab es in einem Bundestag diese von vielen als unstabil bezeichnete Konstellation. Der letzte und wohl auch wahrscheinlichste Weg würde über Neuwahlen führen, einfach sind diese jedoch nicht umzusetzen. Erst nach einem dritten Wahlgang bei welchem lediglich die relative Mehrheit von Nöten ist wäre Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu befähigt, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen.

Egal zu welcher Möglichkeit die kommenden Verhandlungen und Gespräche führen werden, uns erwarten spannende Tage und Wochen. Der Abbruch der Sondierungsgespräche geht schon jetzt in die Geschichte der Bundesrepublik ein – und hat den politischen Machtkampf der deutschen Parteien noch einmal deutlich verschärft.

kschneider2991, Christian Lindner (CC0 1.0)