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Der Teufel steckt im Detail: Was Sprichwörter zwischen den Zeilen sagen

Fast jeder kennt sie, viele benutzen sie im Alltag, doch niemand weiß so recht, wo sie herkommen: Sprichwörter.

Der Duden definiert ein Sprichwort als „kurzen, einprägsamen Satz, der eine praktische Lebensweisheit enthält“. Doch es steckt noch viel mehr hinter den nützlichen Ratgebern- für jede Lebenslage.

Sprichwörter eignen sich sehr gut, um komplexe soziale Situationen zu vereinfachen. Vor allem neutral gestaltete Sprichwörter können als Denkanstoß („Der Teufel steckt im Detail“) fungieren. Sie versuchen einen zum Nachdenken anzuregen, ohne eine konkrete Situation oder Handlungsempfehlung abzugeben. Andere wiederum bieten Entscheidungshilfe in bestimmten Lebenslagen, wie zum Beispiel der Satz „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Er bezieht sich auf eine endende Periode im Leben eines Menschen, die nicht gut verlaufen ist. Sprichwörter können aber auch motivieren („Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“) oder aufheitern („Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn“). Allgemein versuchen Sprichwörter eine Hilfe in allen möglichen Lebenslagen zu sein.

„Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“

Sprichwörter sind aber auch Spiegel unserer Kultur und zeigen kulturell verankerte Normen sowie Werte der Gesellschaft auf. So ist beispielsweise der Satz „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ ein typisch deutsches Sprichwort, das sich so in keiner anderen Kultur finden lässt. Durch diese Lebensweisheit wird die Skepsis vor Neuem und Fremden ausgedrückt. Ein weiteres typisch deutsches Sprichwort ist: „Ordnung ist das halbe Leben“. Hier wird Struktur und Ordnung besonders hervorgehoben. Auch die GLOBE- Kulturvergleichsstudien spiegeln diese Lebensweisheiten wider, da Deutschland im Vergleich zu 60 anderen Ländern eine besonders starke Ausprägung von Unsicherheitsvermeidung aufzeigt. Das bedeutet, dass durch die Lebensweisheiten versucht wird, Unsicherheit möglichst klein zu halten und potenzielle Probleme gar nicht erst auftreten zu lassen. Die beiden Sprichwörter versuchen also soziale Unsicherheit zu vermeiden, da sie eine Hilfe zum Verhalten in sozialen Kontexten geben.

Andere Lebensweisheiten, wie „in der Ruhe liegt die Kraft“ existieren zum Beispiel auch im englischsprachigen Raum („Haste makes waste“). Kulturspezifisch abgewandelte Sprichwörter zeigen außerdem, wie der gleiche Sinn mit landestypischen Mitteln ausgedrückt wird. Ein besonders eindeutiges Beispiel ist dabei das deutsche „Nicht mein Bier“ und das englische „Not my cup of tea“. Die beiden Sprichwörter sagen das Gleiche aus, zeigen aber einprägsam, welche landesüblichen Getränke wichtig im sozialen Umgang sind.

„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“

Ein Großteil der deutschen Sprichwörter hat seinen Ursprung in der Bibel: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ oder „Hochmut kommt vor dem Fall“. Diese wurden mit der Übersetzung der Bibel durch Luther im Deutschen eingeführt. Andere Lebensweisheiten lassen sich bis in das antike Rom zurückverfolgen, wie zum Beispiel der Satz „Not macht erfinderisch“.

Wieder andere stammen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und wurden von der Gesellschaft von ihrem ursprünglichen Kontext gelöst. 1989 prägte beispielsweise Gorbatschow während eines DDR- Staatsbesuchs den legendären Satz: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Dieser soll den Satz aber gar nicht so gesagt haben. Ursprünglich formulierte er die Phrase anders: „Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren“. Durch einen Journalisten wurde die Übersetzung dann angepasst und in den medientauglichen Satz „Wer zu spät kommt bestraft das Leben“ umgewandelt.

„Unter aller Kanone oder doch unter aller Sau“

Auch das allbekannte Sprichwort „etwas ist unter aller Kanone“ hat eigentlich eine andere ursprüngliche Bedeutung. Es lässt sich auf einen Spruch von Schülern des 19. Jahrhundert zurückzuführen, bei dem diese sich über den lateinischen Merksatz „sub omni canone“ lustig machten. Übersetzt heißt der Satz so viel wie „unter aller Richtschnur“. Damit sind diejenigen Schüler gemeint, die bei einer Klausur so schlecht waren, dass sie durch die Prüfung gefallen sind. Aus dem lateinischen Wort „canone“ wurde so die „Kanone“, die man aus dem Krieg kennt.

Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich auch mit dem Sprichwort „unter aller Sau“. Bei Schützenfesten im 17. Jahrhundert bekamen die schlechtesten Schützen als Trostpreis ein weibliches Schwein geschenkt. Konnte man also noch weniger gut schießen, war man „unter aller Sau“. Zusätzlich leitet sich das Wort „Sau“ in diesem Fall wahrscheinlich vom jidischen Wort „seo“ ab, was so viel wie Maßstab bedeutet. Etwas ist also unter dem Maßstab. Ob die Redewendung „unter aller Sau“ ebenfalls als Scherz oder aus einem Missverständnis heraus entstanden ist, lässt sich nicht genau sagen. Auf jeden Fall weisen die beiden Sprichwörter Parallelen auf.

In Deutschland gibt es um die 250.000 Sprichwörter. Kaum einer wird jedes einzelne davon kennen. Im Durchschnitt sind einem Deutschen ca. 300 dieser Sprichwörter geläufig. Doch der Sprichwort-Wortschatz verändert sich stetig. Manche Redewendungen kommen hinzu, andere fallen weg. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Was sie jedoch alle gemeinsam haben, ist der Wille unser Leben ein kleines bisschen einfacher zu machen.

Hinweis: Dieser Artikel ist Teil der Themenwoche Sprache des Passauer Campusmagazin blank. Mit dieser Themenwoche möchten wir verschiedene Perspektiven auf Sprache sichtbar machen und zur Auseinandersetzung mit ihrer Komplexität anregen. Wir erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchten lediglich einige der vielen Facetten beleuchten. Weitere Beiträge zum Thema Sprache erscheinen im Laufe der Woche (23. bis 29. Juni 2025) – hier, auf unserem Instagram-Account sowie auf Spotify.

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