„Death Wish“ – Selbstjustiz gestern und heute

Wohl kaum ein Film hat das Image eines Darstellers so nachhaltig beeinflusst und definiert wie es 1974 „Death Wish“ für Action-Schauspieler Charles Bronson getan hat. Darin spielt Bronson Paul Kersey, einen friedliebenden Architekten, der mit seiner Familie in New York lebt. Als jedoch Straßengangster seine Frau ermorden und seine Tochter vergewaltigen, besorgt Kersey sich eine Schusswaffe und beginnt damit, willkürlich Kleinkriminelle zu töten. Insbesondere die psychologische Entwicklung vom harmlosen Familienvater zum gnadenlosen Rächer wird in dem hierzulande als „Ein Mann sieht rot“ bekannten Film detailliert beschrieben und somit auch zu einem gewissen Grad legitimiert. Bei seinem Erscheinen löste „Death Wish“ eine kleine Kontroverse um das Thema Selbstjustiz aus, zog vier Fortsetzungen nach sich und hat heute zurecht einen Platz in der Filmgeschichte. Bereits zuvor war Bronson für seine Darstellung wortkarger Helden bekannt, doch erst hier wurde er schlussendlich zur Ikone stilisiert. Sein einsamer, gnadenloser Rächer wurde Teil der Popkultur und „Death Wish“ zur Blaupause für ein gesamtes Genre.          

Verständlicherweise war die Skepsis groß, als bekannt wurde, dass bei einem Remake der eher für blutrünstige Horrorfilme bekannte Eli Roth Regie führen sollte. Hinzu kam Bruce Willis in der Hauptrolle, inzwischen leider auch keine Garantie mehr für gute Unterhaltung. Nun, an dieser Stelle kann schon einmal Entwarnung gegeben werden: Beim neuen „Death Wish“ handelt es sich um einen hervorragenden Film. Doch warum genau ist das so?

Genauso wie das Original muss man diesen Film im Kontext seiner Entstehungszeit sehen. Denn erst vor diesem Hintergrund treten einige Qualitäten klar zu Tage. Handlungstechnisch gibt es einige Unterschiede, wenn auch keine wirklichen Überraschungen: Bruce Willis ist kein Architekt, sondern Chirurg, was jedoch gut passt und im weiteren Verlauf eine Rolle spielt. Im Original findet Bronson die Mörder seiner Frau nie und erschießt wahllos Kleinganoven in der Hoffnung, dadurch anderen Menschen ein ähnliches Schicksal wie das seine zu ersparen. Diesen Kampf für universelle Gerechtigkeit thematisiert auch die Neuverfilmung, ist jedoch etwas gradliniger; gerade in der zweiten Hälfte, wo sie sich auf einen relativ schnörkellosen Racheplot konzentriert. Die dreckig-hoffnungslose 70er-Atmosphäre des Originals fehlt hier komplett, so wird zum Beispiel die Misshandlung der Tochter in der Neuverfilmung lediglich angedeutet. Doch dabei ist „Death Wish“ keinesfalls ein zahmer Film geworden, er verfolgt lediglich eine eigene Linie und hat daher eigene Vorzüge zu bieten.

Der wohl größte Pluspunkt ist hierbei, dass es sich um eine Erzählung ohne überflüssigen Ballast handelt. Die Geschichte wird effizient erzählt, jede Szene hat die richtige Länge und die Standpunkte der einzelnen Charaktere sind klar herausgearbeitet. Eine wahre Wohltat in einer Zeit, in der fast jeder Kinofilm mit überflüssigem Füllmaterial auf zweieinhalb Stunden aufgeblasen wird. „Death Wish“ ist überraschend clever und feinfühlig, wodurch viele genreüblichen Fehler vermieden werden: Die Action ist bodenständig und dadurch glaubwürdig, nie übertrieben. Die teilweise sehr expliziten Gewaltszenen verkommen nie zum Selbstzweck und rufen beim Zuschauer stets eine emotionale Resonanz hervor. Trotz der Selbstjustiz-Thematik driftet „Death Wish“ nie in den Zynismus ab. Auch der dezent eingesetzte Humor, der den gesamten Film durchzieht, wirkt niemals aufgesetzt oder deplatziert.

In einer Zeit, in der Kinofilmen gerne große politische oder gesellschaftliche Relevanz zugesprochen wird, stellt sich natürlich auch die Frage, wie sich der Weltentwurf aus „Death Wish“ interpretieren lässt. Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass ein amerikanischer Film, der Waffengewalt als einzig wahres Mittel der Gerechtigkeit inszeniert, dem konservativ-republikanischen Spektrum zuzuordnen ist. Der Film verweigert sich einer derartigen Kategorisierung jedoch sehr geschickt: In einigen Szenen, zum Beispiel wenn sich Bruce Willis von einer euphorischen Verkäuferin im Waffenladen beraten lässt, oder wenn in einigen absurden Werbespots dickbusige Blondinen mit Maschinengewehren um sich schießen, wird ganz klar der amerikanische Waffenfetischismus parodiert. Doch auch damit möchte der Film keine explizit politische Aussage treffen. Es geht lediglich darum, alle Einflüsse zu eliminieren, die vom eigentlichen Filmgenuss ablenken könnten.

Man kann „Death Wish“ auch als Gegenentwurf zu „Star Wars: The Last Jedi“ ansehen. Damit ist keine plumpe politische Interpretation gemeint. Denn der letzte „Star Wars“ hatte, neben all den anderen Defiziten, welche für zeitgenössische Hollywoodproduktionen so typisch sind, ein zentrales Problem: Offensichtlich war den Machern das Verbreiten einer politischen Botschaft und das Propagieren bestimmter Standpunkte wichtiger als der Filmgenuss der Zuschauer. Der wesentlich reflektiertere „Death Wish“ beweist hier, dass es manchmal besser ist, auf eine tiefgründige Aussage zu verzichten, als sie zu erzwingen. Sofern es hier eine politische Aussage gibt, ist sie nebensächlich. Es geht dem Film vor allem um eins: Unterhaltung. Also das, was man sich beim Blick auf das Kinoplakat erhofft. Es wäre überaus wünschenswert, wenn durch dieses Beispiel wieder mehr Filmemacher in Hollywood dazu inspiriert werden würden, sich mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren.