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Wem gehört Jerusalem?

Jerusalem polarisiert. Keine andere Stadt der Welt steht so sehr für Sehnsucht und Hass, Vielfalt und Nationalismus, Wiederaufbau und Zerstörung. So vielschichtig wie die Stadt selbst, ist auch der Konflikt, der auf ihr ausgetragen wird. Israelis sowie Palästinenser beanspruchen Jerusalem für sich, und keiner der beiden Seiten ist momentan bereit Kompromisse einzugehen. Das heilige Land – es soll nicht geteilt werden und seinem Volk gehören. Doch wer soll dieses Volk sein? Und welche Rolle spielt Religion wirklich in diesem Krieg um Jerusalem?

Am 14. Januar referierte Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Dieter Vieweger, promovierter Theologe und Archäologe, zum Thema „Wem gehört Jerusalem?“. Den Vortrag hat GeoComPass organisiert und er soll nicht nur Klarheit in die Wirren des Konflikts bringen, sondern ebenso zur eigenen kritischen Reflektion anregen. Dr. Vieweger lebt selbst seit 14 Jahren in Jerusalem und ist dabei als Christ parteiunabhängig.

Der Israel-Palästina Konflikt – ein Streit um die „richtige“ Religion?

Diesen Mythos fegt Dr. Vieweger gleich zu Beginn seines Vortrags vom Tisch: Religion ist nur ein Spielball der eigentlich Interessen im Nahen Osten – Sie wird ausgenutzt und sie lässt sich ausnutzen. Doch wenn es nicht Religion ist, was befeuert denn Konflikt dann? Nach Dr. Vieweger geht es vor allem um den Anspruch auf Land, Macht, Geld und die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie Demokratie auf diesem Land aussehen soll. Das Feuer wird allerdings am Rand entzündet – Extremisten beider Parteien spielen die Karte Religion, um ihre unversöhnlichen Ansprüche durchzusetzen. Auf der israelischen Seite wehren sich Siedler dagegen, das Land, auf dem ihre Häuser stehen, wieder zurückzugeben. In Palästina regieren die Hamas mit eiserner Hand und warten nur auf eine Gelegenheit Israel zu zerschlagen.

In Anbetracht der heutigen Wucht an Emotionen um die Zugehörigkeit Jerusalems, ist es kaum vorstellbar, dass Theodor Herzl, der Begründer des Judentums, damals auch andere Länder für den Judenstaat in Betracht gezogen hat. Es standen außer Palästina noch Südafrika und Südamerika zur Debatte. Die Besiedlung des Landes, die Vertreibung der bereits dort wohnenden Araber, die Vergeltungsschläge derer und die Rache der Israelis – all dies schürte den tief sitzenden Hass, der sich heute auf beiden Seiten beobachten lässt. Der Konflikt scheint festgefahren. Mit der unausweichlichen Radikalisierung der in Gaza lebenden Palästinenser, bleibt auf eine dritte Intifada nur zu warten – Das Bild, das Dr. Vieweger zeichnet ist ein düsteres.

Das gegenwärtige außenpolitische Klima ist zudem Gift für eine Heilung des Streits: Die Politik Trumps, die mit der Verlagerung der Botschaft den Konflikt noch weiter aufheizte, zeigte, dass ausländische Finanzhilfen auch immer parteilich sind. Eine Balancierung der Kräfteverhältnisse scheint unerreichbar. Um nicht Teil dieses Dilemmas zu sein, sieht Dr. Vieweger die Europäische Union in der Pflicht, die notwendigen Mittel gezielt für rein humanitäre Zwecke einzusetzen.

„Ich sehe derzeit keine Chance, aber Geschichte ist kein Schicksal – sie kann und muss verändert werden, denn wir können so nicht weiterleben“.

Mit diesem Zitat zeigt Dr. Vieweger auch Hoffnungsschimmer auf. Immer wieder gibt es Menschen auf beiden Seiten des Konflikts, die sich für eine Zwei-Staaten-Lösung aussprechen. Um nicht nur die nächsten 50 Jahre, sondern auch in den nächsten Jahrhunderten in der Region zu bestehen, bleibt Israel keine andere Möglichkeit als mit seinem Nachbarn Palästina eine friedliche Form des Zusammenlebens zu finden.