Schimpfen wie ein echter Wiener

Nur knapp drei Autostunden sind es von Passau nach Wien und mit ihrer reichen Kultur, dem regen Nachtleben und den vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten bietet sich Österreichs Hauptstadt perfekt für einen Wochenendtrip an. Aber was, wenn man auf einer gemütlichen Kneipentour ganz plötzlich von einem echten Urwiener in schwer verständlichem Dialekt angepöbelt wird? In dieser und vielen anderen möglichen, und unmöglichen, Situationen hilft das Buch „Schimpfen wie ein echter Wiener“ von Anna Mehofer, erschienen im Holzbaum Verlag am achten April 2016.

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Auf 127 Seiten behandelt die Autorin die Eigenheiten des berühmten „Wiener Schmähs“ und versucht, auch dessen Entstehung zu beleuchten. Teils lexikalisch im Stile „Wienerisch-Hochdeutsch“, teils illustriert mit kurzen Cartoons von Maria Antonia Graff und Geschichten rund um die Ausdrücke und ihren Ursprung.

Sind Sprüche wie „Heast Oida, host des gsehn?“ („Alter, hast du das gesehen?“) noch relativ selbsterklärend, muss man sich für den Terminus „Schiache Funsn“ (eingebildete oder sehr hässliche Frau) schon tief in den semantischen Sumpf wagen. Vieles ähnelt allerdings dem Bayerischen oder ist auch in  anderen Teilen Österreichs zu Hause.

„I reiß ma sicha net den Oasch auf fia di!“ kommt auch dem Bayern schon mal über die Lippen. Und „Ich bin do net auf der Nudlsuppm dahergschwommen!“ werden sich viele bei einem Abend in einer Wiener Kneipe noch selbst übersetzen können.

Was passiert, wenn der Gesprächspartner dann doch mal ins tiefste Wienerisch abrutscht, bereitet das Buch  in aller Ausführlichkeit vor. In kurzen und unterhaltsamen Erklärungen mit viel Charme und Witz werden einzelne Ausdrücke, aber auch ganze Redewendungen übersetzt und analysiert. Harmlos angefangen mit „Das ist für’n Hugo.“ („Das ist sinnlos“), über „Gusch, du großgoscherter Wappla!“ („Halt den Mund du vorlauter Idiot“) und „Ziag o, sunst drah i di haam, du Wiaschtl!“ („Verschwinde, du Würstchen, da ich dich sonst ermorde“), bis hin zu „Die oide is a gscheids Pleampl.“ („Die Alte ist ziemlich ungeschickt und dumm“) ist für jeden, der seinen Unmut mal richtig Ausdruck verleihen möchte, etwas dabei.

Die Wiener kennen aber nicht nur Schimpfwörter. Auch ihre teils amüsante, teils leicht rassistische Sicht auf ihre Nachbarn findet einen Platz im Buch. Beispielsweise bekommen die als „Behm“ bezeichneten Tschechen auf diverse Arten ihr Fett weg. So ist etwa „behmisch einkaufen“ ein Synonym für stehlen.

Anna Mehofer bringt  dem geneigten Leser also auch die humoristische Vielfalt des Wienerischen nahe. „Bochhendlfriedhof“ bedeutet wörtlich übersetzt „ ewige Ruhestätte des Brathuhns“, beschreibt im Wiener Alltag aber eher den Bierbauch eines Mannes. Mit „Blitzgneisser“ ist ein „Schnellchecker“ gemeint und mit „Mitn Anasiebzga foan“ bedeutet so viel, wie „mit der Straßenbahnlinie 71 zum Zentralfriedhof fahren“.

Das Eintauchen in die Wiener Redensart fällt mit dieser Lektüre nicht schwer, ganz im Gegenteil. Gleich auf den ersten Seiten wird man mit dem Wiener Charme und der derben und offenen Sprache konfrontiert. Durch Sätze wie „Na, des Beidlwossa trink i net, gebts ma a Bier.“ („Nein, diese widerliche Gesöff trinke ich nicht, reicht mir den Gerstensaft“) oder „Der oide Puderant denkt an nix wia’s schnacksln.“ („Der alte Lustmolch denkt nur an Sex.“) wird schnell klar, dass die Nachbarn aus Wien nicht auf den Mund gefallen sind.

„Schimpfen wie ein echter Wiener“ ist sicher kein Anwärter auf den Literaturnobelpreis, aber die kurzen Geschichten und Erklärungen wissen durchaus zu unterhalten. Für Abenteuerlustige, denen Englisch und Französisch als Fremdsprachen zu langweilig sind und für alle, die die Hauptstadt-Kultur unserer österreichischen Nachbarn besser kennenlernen wollen, ist dieses kleine Buch definitiv ein sehr unterhaltsamer Fremdenführer.

 

Beitragsbild und Cartoons: Antonia Maria Graff