Ein Festival ohne Bands?

Welcher Festivalgänger kennt’s nicht: Man sitzt gemütlich mit seiner Crew auf den Campingstühlen unter dem Pavillon und genießt das gute Dosenbier, spielt eine Runde Bierpong oder Flunkyball oder quatscht mit den Zeltnachbarn. Dann ein Blick auf die Uhr und man realisiert, dass der nächste

Act, den man auf keinen Fall verpassen wollte, in der nächsten halben Stunde spielt und man sich schleunigst auf dem Weg zur Bühne machen sollte! Dieser Moment mag in der ein oder anderen Situation wirklich stressig sein. Natürlich lohnt sich der Gang zum Festivalgelände immer wieder, aber wie wäre denn ein Festival, auf dem es gar keine Bands gibt, die man verpassen könnte?

 

Das Festival ohne Bands in Hailtingen macht es möglich: Bei dem dreitägigen Open Air im Süden Baden-Württembergs fehlt es an nichts, was ein richtiges Festival ausmacht – außer der Bands. Es gibt einen großen Campingplatz irgendwo im Nirgendwo, es gibt ein Infield mit Partyzelten und sogar eine Bühne, auf der allerdings die Musik der Besucher läuft. Ganz nach dem Motto: „3 Tage pures Festivalfeeling ohne Stress.“

Und das Konzept hat sich bewährt: Im ersten Veranstaltungsjahr 2017 war das Festival komplett ausverkauft, ebenso im Jahr darauf, obwohl das Gelände aufgrund der hohen Nachfrage verdoppelt wurde. Auch in diesem Jahr war das Festival mit mittlerweile 8.000 Besuchern wieder doppelt so groß als im Vorjahr und abermals restlos ausverkauft, dementsprechend wieder ein voller Erfolg!

Bereits Donnerstagmorgen um acht Uhr standen die Ersten Schlange: Autos jeglicher Art, Kleinbusse, Trecker, LKWs – mit den wildesten Konstruktionen im Anhang. Eigene Barwagons, große Zapfanlagen, Tanzflächen, Container, doppelstöckige Partywägen, Whirlpools – die Leute hatten wirklich die verrücktesten Anhänger im Schlepptau. Für Besucher von weiter weg mag es so gewirkt haben, als käme fast jeder Gast dort von einem der landwirtschaftlichen Betriebe im Umkreis oder kenne zumindest Menschen dort. Es wirkte auch so, als kenne dort wirklich jeder jeden.

Auch das Wetter spielte glücklicherweise mit. Die besten Voraussetzungen für ein gelungenes Festival. Die Leute waren motiviert, jeder hatte Bock in die Festivalsaison zu starten mit einem stressfreien, sonnigen und vor allem alkoholreichen Wochenende: Bier, Bier, Bier – ob bei Flunkyball, Bierpong, beim Trichtern, ganz entspannt im Camp oder auf dem Weg zum Infield. Dazu natürlich auch passende Outfits wie Bierkönig-Shirts und neonfarbene Tanktops, Jogginghosen und Adiletten, verrückte Hüte und Sonnenbrillen, Boratanzüge, Tieronezies und andere ausgefallene Kostüme.

Wer meint, bei dem Festival ohne Bands sei es leise, liegt total falsch. Stromaggregate, Motoren, fette Musikanlagen und viel Gesang, Gegröle und Geschrei prägten die Lärmkulisse rund um die Uhr, wer nachts seine Ruhe zum Schlafen braucht, hat Pech gehabt. Aber für Ruhe geht man ja schließlich nicht auf ein Festival. Von Ballermannmucke über Rock bis hin zu Elektro, es war wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

Nach einem kurzen Wolkenbruch Samstagnachmittag – ein Festival ohne Regen wäre ja auch kein Festival – war das gesamte Gelände mit Schlamm bedeckt und der ein oder

andere Besucher legte schon einmal eine etwas unglückliche Bauchlandung hin oder rutschte zumindest eine ordentliche Strecke die Schlammbahn entlang. Je höher der Pegel, desto größer die Herausforderung. Regenjacken und Gummistiefel an, oder einfach Schuhe aus, und die Party ging im Matsch weiter.

Sonntag früh als die Sonne langsam aufging und der Nebel das Gelände und die umliegenden Felder verschluckte, glich der Festivalboden beinahe einem Friedhof. Die letzten Schnapsleichen suchten ihre Zelte, die ersten mutigen Frühaufsteher wagten den Gang zu einem der mittlerweile unausstehlichen Dixies. Es war matschig, es war kalt, es herrschte reinste Katerstimmung. Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen herrschte schließlich auch umgehend Aufbruchsstimmung.

Die ersten Traktoren ratterten vom Gelände, Autofahrer hatten mit dem Matsch zu kämpfen, auch der ADAC war auf einmal mit von der Partie. Langsam erwachte das Festival wieder zum Leben, die Besucher an sich allerdings eher weniger. Es wurde mühselig abgebaut, abgereist, und eine riesen Müllhalde auf dem Feld hinterlassen. Aber eines muss man sagen: super Konzept, super Organisation und ein echt lustiges Festival!