Digitalisierung am Arbeitsmarkt – K.I. oder k.o.?

Deutschland im Jahre 2050 – Roboter nicht nur am Fließband, sondern an der Macht; der menschliche Verstand kann lange nicht mehr mit der Künstlichen Intelligenz, kurz KI, mithalten; die Hälfte aller Ausbildungsberufe existiert nicht mehr. Digitalisierung am Arbeitsmarkt wird oft mit dystopischen Vorstellungen verbunden – doch wie realistisch sind diese Zukunftsbilder wirklich? Im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Passauer Politiktage haben Montagabend verschiedene Vertreter aus der digitalen und der politischen Praxis über die digitale Transformation als Herausforderung Deutschlands diskutiert.

Benjamin Adjei, MdL und Sprecher für Digitalisierung, Hanna Drabon aus dem Bereich Content Management und Softwareentwicklung und Dr. Stefan Kaufmann, MdB und Vorsitzender der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ haben am Montag, den 20.05.2019, ab 20 Uhr unter der Moderation von Carolin Stötzel, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Politikwissenschaften tätig ist, (m Titelbild von links nach rechts) große Zukunftsfragen diskutiert. Werden Maschinen Menschen ersetzen? Was sind die Chancen und was die Gefahren der Digitalisierung? Kann das deutsche Bildungssystem auf diese Zukunft vorbereiten und brauchen wir flexiblere Gesetze, um flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen?

Viele würden bei Künstlicher Intelligenz an Transformers und technische Alleskönner denken, meint Adjei, dabei baue die momentane Technik eher auf schwache KI. Das heißt, die Roboter seien darauf programmiert eine Lösung für ein Problem zu finden und noch weit davon entfernt eigenständige Entscheidungen in vielen verschiedenen Bereichen zu treffen. „Wenn man eine Bildersuchmaschine darauf spezialisiert Eichen zu erkennen, wird sie nichts mit dem Bild einer Birke anfangen können“, nennt Adjei ein Beispiel.

„Keiner meiner Kollegen hat einen Job, den es vor 20 Jahren gab.“

Dennoch sind bereits zahlreiche Jobs zumindest teilweise durch Computer ersetzbar – Tendenz steigend. Bedeutet das automatisch einen Verlust an Arbeitsplätzen? Nicht zwangsläufig, sind sich die Podiumsgäste einig. „Keiner meiner Kollegen hat einen Job, den es vor 20 Jahren gab“, gibt Drabon zu bedenken. „Wir sind nicht mehr nur Konsumenten der Arbeit, sondern Prosumenten“, sagt die Intrapreneurin der Digitalagentur comspace. Für sie beschreibt Digitalisierung weniger einen technischen als einen Vernetzungsprozess. Daher glaubt sie, dass auch in der Arbeitswelt Rollen anders verteilt werden müssen und hierarchische Strukturen durch ein Netzwerk an Ideen und Aufgaben ersetzt werden sollten.

Dem CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Kaufmann gefällt dieses idealistische Bild ebenfalls, da er die Diskussion um Digitalisierung grundsätzlich zu „risikobehaftet“ findet und der Fokus zu wenig auf den Chancen liege. Doch eine Umstrukturierung des Arbeitsmarktes, wie Drabon es sich vorstellt, kann nur mit einer grundsätzlichen Veränderung bestehender Strukturen passieren. Es fängt beim Bildungs- und Ausbildungssystem an: „Wie können wir junge Menschen auf diese Arbeitswelt vorbereiten, damit sie international konkurrenzfähig sind?“ Kaufmann stellt diese Frage in den Raum, eine Antwort hat er selbst nicht parat. Denn was momentan Schulkindern beigebracht wird, ist in 15 Jahren, wenn sie im Berufsleben sind, schon lange überholt, bestätigt auch Drabon. Sie vermutet daher, dass iteratives, lebenslanges Lernen, der Normalzustand werde.

Durch die Digitalisierung wird nicht ein Großteil der Jobs wegfallen, betont Kaufmann, aber es werde ein massiver Wandel der Berufsbilder stattfinden. Das wird sich auch auf die Arbeitszeiten und den Arbeitsort auswirken: „Wenn alles flexibler wird, können wir nicht mit einem strikten Arbeitszeitenmodell in die Zukunft gehen“, sagt Kaufmann. Braucht es dann flexiblere Gesetze, um das zu ermöglichen? Benjamin Adjei ist skeptisch. Der Grünen-Politiker und Informatiker findet eine individuelle Zeiteinteilung zwar sinnvoll, jedoch dürfe das nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers ausfallen. Laut dem aktuellen Arbeitnehmerschutzgesetz müssen zwischen den täglichen Arbeitszeiten mindestens elf ununterbrochene Stunden Ruhezeit liegen – eine Änderung dieser Regelung könnte von den Arbeitgebern ausgenutzt werden.

Adjei plädiert daher für „Augmented Working“, bei dem ein Teil der Arbeit maschinell übernommen wird und die Menschen dadurch ihre Zeit in andere Tätigkeiten stecken und produktiver sein können. Als „größten Gegner“ sieht Drabon dabei den Stress: Die KI kann zwar repetitive Aufgaben gut übernehmen, doch wenn nur noch die kreative und anspruchsvolle Arbeit übrig bleibe, könne das überlasten. Kurz: Manchmal ist es einfach entspannender seine Mails zu sortieren als große Denkarbeit zu leisten.

„Es fehlt der Weitblick, wo es überhaupt hingehen soll.“

„Einen Blick in die Glaskugel“, wie Stötzel es nennt, wagt jedoch keiner der drei Podiumsteilnehmer. Obwohl Adjei die wichtigste Aufgabe darin sieht, die Menschen gut auf die Zukunft vorzubereiten, sieht er darin gleichzeitig die Schwierigkeit: „Es fehlt der Weitblick, wo es überhaupt hingehen soll. Wir können die Kinder in der Schule nicht auf die Zukunft vorbereiten, weil wir nicht wissen, wie die Zukunft aussieht.“ Eins weiß Kaufmann über Deutschland im Jahre 2050 trotzdem sicher: „Es wird immer noch die analoge Welt geben.“ Und viele würden sich vermutlich auch in dreißig Jahren noch ihre Haare lieber von einem Menschen als einem Roboter-Frisör schneiden lassen.